NRW hat gewählt – und die Erschütterung dieser
Wahl reicht bis nach Berlin. Im bevölkerungsreichsten Bundesland
wählen gut 20 Prozent der Gesamtbevölkerung – das hat eine stärkere
Wirkung als die Wahlen in kleineren Ländern. Die Botschaften der
NRW-Wahl, mit denen sich nun die Politik beschäftigen muss: 1.
Persönlichkeiten entscheiden die Wahl. Ja, was denn auch sonst? Seit
jeher haben jeweils die Parteien die Wahlen dominiert, die die
überzeugendsten Persönlichkeiten für sich ins Rennen schicken
konnten. In NRW hat es Hannelore Kraft geschafft,
Wirtschaftskompetenz mit sozialer Verantwortung zu verbinden. Das ist
der klassische Kompromiss, mit dem die Sozialdemokraten nicht zuletzt
auch unter Johannes Rau fast vier Jahrzehnte das wichtigste
Bundesland regierten. In beiden Kompetenzfeldern liegt Kraft klar vor
ihrem Herausforderer Norbert Röttgen. 2. Die Sparpolitik à la
Bundeskanzlerin Merkel ist in NRW abgewählt worden. Nach wie vor
beschäftigt die Menschen zwar die Solidität der Staatsfinanzen und
die Stabilität des Euro. Aber die Frage nach einer
wachstumsorientierten Haushaltspolitik, die Maßnahmen zu einer
Stabilisierung der Wirtschaft und der Arbeitsmärkte ergreift, gewinnt
an Bedeutung. Damit erneuert sich eine Erkenntnis aus der
französischen Präsidentschaftswahl: Nur wer das Thema solider
Staatsfinanzen mit wachstumsorientierter Politik verbindet, wird
erfolgreich sein. 3. Rot-Grün kann Mehrheiten gewinnen, und zwar auch
in einem Fünf-Parteien-Parlament. Dem Bündnis ist es gelungen, die
Linke überflüssig und die Piraten nebensächlich zu machen. Die FDP
ist wieder da. Aber Schwarz-Gelb hat in elf aufeinanderfolgenden
Landtagswahlen verloren. Damit wird die Machtfrage auch bundesweit
wieder ein Stück offener. 4. Hannelore Kraft war schon vor der Wahl
klar die stärkste politische Persönlichkeit in NRW – und in der SPD
hinter dem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel. Selbst wenn die Troika
aus Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier in Berlin
weiter die Geschäfte führt – die Kanzlerkandidatur wird nicht mehr
von dieser Troika entschieden, sondern in Abstimmung mit der
stärksten Landesvorsitzenden. Auch wenn Hannelore Kraft eine solche
Kandidatur für sich selbst ausgeschlossen hat, wird die Frage weiter
an Sie gestellt werden. Und sie wird beantworten müssen, ob sie ein
so starkes Bürger-Votum für ihre Person ignorieren kann. 5. Norbert
Röttgen ist der große persönliche Wahlverlierer. Er hat – zunächst in
NRW – daraus sofort und richtigerweise die Konsequenzen gezogen. Aber
das Ausmaß dieser Niederlage wirkt weit in die Union hinein, auch in
die Bundesregierung. Dass Angela Merkel der Strategie ihres eigenen
Ministers öffentlich die Unterstützung entzog, wird Wirkung auf die
innerparteiliche Debatte haben. 6. Vermutlich hat bereits der
Bundestagswahlkampf 2013 begonnen. Es wird ein harter Lagerwahlkampf
werden. Das Merkel-Lager ist gestern kleiner geworden.
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