Rund 44,5 Millionen Wahlberechtigte haben am
Sonntag in Frankreich die Qual der Wahl. Zehn Kandidatinnen und
Kandidaten treten im ersten Wahlgang in den Wettbewerb um das Amt des
französischen Staatspräsidenten ein. Glaubt man den Umfragen, so
werden der konservative Amtsinhaber Nicolas Sarkozy und sein
sozialistischer Herausforderer François Hollande in einem zweiten
Wahlgang am 6. Mai in der entscheidenden Stichwahl gegeneinander
antreten. Dass der derzeitige Hausherr im Élysée-Palast schon vor dem
ersten Urnengang bis zu fünf Prozentpunkte hinter Hollande liegt,
kommt nicht von ungefähr. Denn es sind die innenpolitischen Probleme,
die die Franzosen umtreiben. Hier sieht die Bilanz von Sarkozys
bisheriger fünfjähriger Amtszeit düster aus. Statt mehr Wohlstand und
Arbeit für die Bevölkerung zu schaffen, muss Sarkozy in seinen
Wahlkampfauftritten davon ablenken, dass es im Land zwischen Pyrenäen
und Elsass eine Rekordarbeitslosigkeit von rund zehn Prozent gibt.
Das französische Schulsystem bereitet viele Jugendliche in Frankreich
nicht qualifiziert genug auf das Berufsleben vor, die Zahl der
Schulabbrecher ist hoch. Es gibt erhebliche soziale Spannungen. So
dürfte der kurz vor dem Urnengang losgetretene Vorstoß zur
Aufweichung der Reisefreiheit in erster Linie dazu dienen, im rechten
Wählerspektrum Stimmen zu generieren. Vorzeichen, die eine
vermeintlich einfache Ausgangsposition für Hollande darstellen, der
mit Schlagworten wie „Wachstum“, „Gerechtigkeit“ und „Beschäftigung“
in der Bevölkerung punktet. Doch Sarkozy ist ein erfahrener
Machtpolitiker, der diese Herausforderung annimmt und sich durch die
negativen Umfragen nicht aus dem Tritt bringen lässt. Einer seiner
Coups: Er forderte, die Europäische Zentralbank (EZB) solle sich für
die Stärkung des Wachstums in Europa einsetzen. Wohlwissend, dass
dies ob der Unabhängigkeit der EZB bei Bundeskanzlerin Angela Merkel,
jener Regierungschefin, mit der er die europäische Finanzpolitik aus
der Krise geführt hatte, keineswegs Begeisterung auslösen würde. Die
Rüge aus Berlin kam prompt. Auch Hollande rückte mit seiner Kritik am
europäischen Fiskalpakt und der Forderung, man dürfe nicht sparen um
des Sparens willen, sondern müsse gleichzeitig Maßnahmen für Wachstum
und Beschäftigung anschieben, Europathemen in den Blickpunkt.
Ebenfalls nicht mit einer Stoßrichtung, die in Berlin auf Zustimmung
stößt. Doch weiß man im Kanzleramt aus Erfahrung, dass das
deutsch-französische Verhältnis seit Jahrzehnten von gegenseitigem
Respekt, freundschaftlichem Miteinander und Pragmatismus geprägt ist.
Dies wird auch so bleiben, wenn François Hollande in den
Élysées-Palast einziehen sollte. Er kündigte bereits an, sein erster
Auslandsbesuch werde ihn im Falle eines Wahlsieges nach Deutschland
führen. Das Verhältnis Paris- Berlin wird sich nicht abkühlen. Und
das ist gut so, im Sinne beider Länder und des europäischen
Gedankens.
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