Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Forderung nach verkürzter Elternzeit Eigeninteresse SANDRA SPIEKER

Die Bundesrepublik habe mit bis zu drei Jahren
im europäischen Vergleich die längsten Elternzeiten, sagt
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. „Je länger Frauen aus dem Beruf
aussteigen, desto schwieriger ist die Wiedereingliederung, desto
größer sind die Qualifikationsverluste und desto geringer sind die
Karrierechancen“, heißt es in dem Positionspapier der Arbeitgeber.
Hundts Patentrezept: Die Elternzeit radikal auf zwölf Monate
verkürzen und auch das Elterngeld nur maximal ein Jahr zahlen. Schön,
dass Frauen erleichtert werden soll, Karriere zu machen, könnte man
meinen. Doch am Ende scheint hinter der vermeintlich wohlwollenden
Forderung nur ein temporäres Eigeninteresse zu stecken. Und es zeigt
sich: Wer an der Elternzeit spart, spart am falschen Ende. In Zeiten,
in denen eine qualifizierte Arbeitskraft manchmal schwerer zu finden
ist als die Nadel im berühmten Heuhaufen, wollen die Arbeitgeber
Frauen schneller auf den Arbeitsmarkt zurückholen. Ebenso wurden
Frauen im Krieg in die Fabriken geholt. Natürlich ist es einfacher,
wenn man in Zeiten des Facharbeitermangels die jungen Eltern schnell
wieder zur Verfügung hat, anstatt bis zu drei Jahre einen
Arbeitsplatz bereithalten zu müssen. Doch die Wirtschaft müsste auch
ein eigenes Interesse daran haben, Familien stark zu machen. Und dazu
gehört, Eltern ein kleines Stück Wahlfreiheit zwischen Beruf und
Familie zu ermöglichen. Wenn es darum geht, Mütter und Väter früher
an den Arbeitsplatz zurückzulocken, sollten Arbeitgeber nicht nach
dem Staat rufen, sondern selbst Anreize schaffen: durch attraktive
Teilzeitmodelle, familienfreundliche Arbeitszeiten oder
Betriebskindergärten. Und waren nicht Elternzeit und Elterngeld als
Anreiz dafür gedacht, dass sich auch Männer eine Weile um die
Kindererziehung kümmern? Sie werden in Herrn Hundts Forderung
vernachlässigt.

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