Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Gabriel lässt sich SPD-Parteivorsitz bezahlen Abgehoben Alexandra Jacobson, Berlin

Natürlich ist es rechtlich nicht zu beanstanden,
dass sich Sigmar Gabriel seinen SPD-Chefposten von der Partei
bezahlen lässt. Es geht hier nicht im Geringsten um rechtliche,
sondern allein um moralische Kategorien. Da allerdings ist
Verwunderung nicht nur angebracht, sondern dringend geboten. In
seinen Funktionen als Wirtschaftsminister und Abgeordneter erhält
Gabriel monatlich über 18.000 Euro. Muss man sich da aus der
Parteikasse noch eine zusätzliche Aufwandsentschädigung bezahlen
lassen? Auch Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) sind
Parteivorsitzende. Doch sie üben diese Posten als Ehrenamt aus. Auch
Franz Müntefering, Gerhard Schröder und Kurt Beck haben ihren
Parteiposten ehrenamtlich ausgeübt. Keine Frage, Sigmar Gabriel als
SPD-Vorsitzender macht in jüngster Zeit fast alles richtig. Wie er
die SPD in die Große Koalition geführt hat, war eine Meisterleistung.
Diese Verdienste sollen keineswegs geschmälert werden. Darum geht es
aber gar nicht. Eine Partei, die für die Interessen der kleinen Leute
kämpft, braucht in Gelddingen eine besondere Sensibilität. Dass
gerade Spitzengenossen diese Sensibilität mitunter vermissen lassen,
ist keine Petitesse. Das vermindert die Glaubwürdigkeit der SPD. Ob
es Peer Steinbrück mit seinen üppigen Vortragshonoraren war oder
Matthias Machnig, der doppelte Bezüge vom Bund und vom Land kassierte
– es tut der SPD nicht gut, wenn Spitzenleute den Eindruck erwecken,
vor allem an den eigenen Vorteil zu denken. Wenn ein führender
SPD-Genosse dieses Gespür für die Lebenswelt der kleinen Leute nicht
mehr aufbringt, dann sollte es zumindest im unmittelbaren Umfeld
andere geben, die ihn darauf hinweisen. Bei Sigmar Gabriel entsteht
allmählich der Eindruck, dass es innerhalb der Partei kein Korrektiv
mehr gibt. Wo das fehlt, kommt es leicht zur Abgehobenheit. Wer sagt
ihm denn nun, dass er künftig auf die Aufwandsentschädigung
verzichten muss?

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