Man darf auf diesen Bundespräsidenten Joachim
Gauck gespannt sein. Vieles an ihm ist ungewöhnlich, so seine ganz
und gar unverstellte Unabhängigkeit: Er gehört keiner politischen
Partei an und ist in der Bundesversammlung von fünf Parteien
vorgeschlagen worden. Diese ideologische Ungebundenheit stellt für
die etablierte Politik auch ein Risiko dar. Doch Gaucks kurze
Antrittsrede zeigte, dass er ein Risiko wohl vor allem für die Linke
darstellt. Gauck sprach von dem 18. März 1990, als er erstmals wählen
durfte. Millionen von Ostdeutschen hätten damals nach zwei Diktaturen
endlich Bürger sein dürfen, sagte Gauck. Keine Hand zum Beifall regte
sich bei der Linkspartei. Dass er die DDR beim Namen und eine
Diktatur nennt, lässt vor allem diejenigen als Gestrige erscheinen,
die sich zu einer klaren Haltung zu ihrer eigenen Geschichte bis
heute nicht durchringen können, und das ist nun mal die Linkspartei.
Gauck weiß, das er sein Themenspektrum erweitern und auch
modernisieren muss. Doch ohne Freiheit ist alles nichts, und diese
Grundüberzeugung wird ihm, dem sturen Mecklenburger, zum Glück
niemand austreiben können. Und eine Annäherung zwischen Regierenden
und Bevölkerung will Gauck auf den Weg bringen. Wenn seine
Präsidentschaft hilft, der Politik den allzu schlechten Ruf zu
nehmen, wäre schon viel erreicht. Aber auch ein Joachim Gauck hat
natürlich das Recht, in seinem neuen Amt erst einmal anzukommen. Und
auch das Recht, Fehler zu begehen. Die Erwartungen an ihn sind riesig
und nicht zu erfüllen. Aber die meisten Bürger im Land mögen ihn
jetzt schon – und das ist die beste Voraussetzung fürs Gelingen.
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