Solidarität ist ein schönes Wort, das in
Deutschland einen überwiegend positiven Klang hat. So war es ein
geschickter Zug, als die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl
1991 eine Steuererhöhung beschloss, die sie Solidaritätszuschlag
nannte. Diese Einnahmequelle, rät nun der einflussreiche
Wirtschaftsforscher Clemens Fuest, könne man ausweiten, um mit
Milliarden Euro Griechenland zu unterstützen. Auch das ist ein
trickreicher Vorschlag: Er könnte das Gegenteil des Gesagten
bewirken. Als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des
Bundesfinanzministeriums weiß Fuest natürlich, was die Spitze der
CDU/CSU tatsächlich mit dem Soli vorhat: Sie will ihn nach und nach
abschaffen. CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer
lehnen Steuererhöhungen außerdem ab. Seinen Soli-Vorschlag begründet
der Ökonom, dieser sei ein Gebot der Ehrlichkeit gegenüber der
deutschen Öffentlichkeit. Stimmt. Und möglicherweise wären dauerhafte
Zahlungen der reichen an die ärmeren Euro-Staaten wirklich ein Weg
aus der Krise. Wenn Fuests Soli-Plan nicht auch diese Wirkung
auslöste: Kopfschütteln in der Regierung, Wut am Stammtisch. Nach dem
Motto: Nicht nur Kredite, sondern jetzt auch noch Steuern für
Griechenland? So verkehrt sich die Bedeutung des Wortes „Solidarität“
in sein Gegenteil: Aus einem Begriff für Mitgefühl wird einer für
Hartherzigkeit.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de