Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Hartz-IV-Verhandlungen wieder aufgenommen
Die Fackel

Zum Glück hat der Ministerpräsident Kurt Beck
Ende März Landtagswahlen. Und zum Glück hat der Sozialdemokrat einen
guten Draht zu den Unions-Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer und
Horst Seehofer. Es ist der Initiative von Kurt Beck zu verdanken,
dass nach dem unsäglichen Berliner Polittheater zu Hartz -IV die Tür
zur Vernunft wieder ein Spalt offen ist. Einstimmig sind die
Ministerpräsidenten im Bundesrat Becks Vorschlag gefolgt und haben
grünes Licht für weitere Verhandlungen gegeben. Damit im weiteren
Prozedere nicht wieder das parteipolitisch kleine Karo die dringend
erforderliche Verbesserung für 4,7 Millionen Hartz-IV-Bezieher und
2,5 Millionen bedürftige Kinder behindert, ist nun auf allen Seiten
neues Denken gefordert. Kurt Beck warnte davor, „die Verhandlungen zu
überfrachten.“ Dieser Appell richtet sich an die eigenen Reihen, an
SPD und Grüne. Wer etwa meint, dass die gleiche Bezahlung von
Zeitarbeitnehmern und Stammbelegschaft wichtiger ist als die
Finanzierung von warmen Mittagessen für arme Kinder, hat nichts
verstanden. Und Horst Seehofer von der CSU hat an seine Leute
plädiert, „Grundvertrauen“ in die andere Seite zu haben. Wer meint,
die anderen mit vollendeten Tatsachen überrumpeln zu können, ist
ebenfalls fehl am Platz. Dass es neue Verhandlungen gibt, heißt
nicht, dass es auch bald ein Ergebnis gibt. Aber die Chancen dafür
stehen besser, seitdem sich die Ministerpräsidenten eingeklinkt
haben. Offenbar haben sie ein feineres Gespür für die Menschen als
die Berliner Parteipolitiker unter ihrer Käseglocke. Vor allem wissen
Kurt Beck und Wolfgang Böhmer dass es zum Beispiel der
Wahlbeteiligung in ihren Ländern nicht gut bekäme, wenn die Politik
weiterhin lustvoll Schaukämpfe zelebrierte. Die Ministerpräsidenten
haben zudem mittlerweile eifrig nachgerechnet. Wenn einige
Stellschrauben noch etwas präziser justiert werden, und den Kommunen
etwa eine Ist-Abrechnung bei den Bildungspaketen für Kinder
zugebilligt wird, dann wäre eine Ablehnung kaum zu verantworten.
Schließlich hat sich der Bund zu einigen wichtigen Zugeständnissen
durchgerungen. Dass die Grundsicherung im Alter bis 2014 zu hundert
Prozent vom Bund übernommen werden soll, entspricht einer alten
Forderung der Städte und Gemeinden. In den gegenwärtig knappen Zeiten
schlägt man so etwas nicht leichtfertig aus. Schwarz-Gelb möchte
offenbar an der Höhe des Regelsatzes nicht mehr herumschrauben –
dafür aber soll über eine Mobilitätszulage und ein Sonderbedarf bei
Großgeräten verhandelt werden. Selbst wenn der Regelsatz nur um fünf
Euro steigt, kämen diese Zuschläge im Bedarfsfall noch oben drauf.
Auch hier wäre es verbohrt, aus Prinzipienreiterei nein zu sagen.
Beck und Seehofer haben die Verhandlungen wieder angeschoben – ihre
Aufgabe besteht nun darin, die Fackel der Vernunft in den eigenen
Reihen weiterzureichen. Die Gespräche über die Hartz-IV-Reform in den
vergangenen Wochen hat der Politik schwer geschadet. Das kann nur
halbwegs wieder ausgebügelt werden, wenn es mit der parteipolitischen
Erbsenzählerei ein Ende hat.

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de