Manchmal ist es notwendig, dass im Bundestag
nicht nur über Inhalte gestritten wird, sondern auch über den Stil
von Äußerungen. Volksvertreter sollten aus ihrem Herzen keine
Mördergrube machen und sagen, was sie denken. Natürlich kann etwa
jeder Parlamentarier Bundespräsident Joachim Gauck kritisieren. Das
ist völlig in Ordnung. Zum Mittel der wüsten Beschimpfung zu greifen
und Gauck als „widerlichen Kriegshetzer“ zu bezeichnen, wie es der
brandenburgische Landtagsabgeordnete Norbert Müller (Linke) tat, ist
aber abstoßend. Dass SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann diese
Entgleisung gestern in der Bundestagsdebatte geißelte, war das
richtige Wort an der richtigen Stelle. Politische Kritik sollte den
Boden der Sachlichkeit nicht verlassen. Es geht um inhaltliche
Einlassungen, aber nicht darum, eine Person in Grund und Boden zu
stampfen. Das erinnert in der Tat an die Weimarer Republik, als die
Nazis die Axt an die Demokratie legten und zunächst Reichspräsident
Ebert mit Schmähkritik überzogen. Oppermann wies darauf hin, dass er
trotz dieser historischen Erinnerung nicht vorhabe, die Linke mit den
Nazis zu vergleichen. Mitglieder der Linkspartei überschreiten mit
ihrer Wortwahl häufiger Grenzen. Die Grünen-Fraktionschefin
Göring-Eckhardt wurde von einer Abgeordneten der Linken kürzlich als
„Verbrecherin“ bezeichnet. Dafür haben sich hinterher immerhin die
beiden Chefs der Linkspartei entschuldigt. Es wäre Gregor Gysi
gestern kein Zacken aus der Krone gefallen, wenn er sich klar von den
Worten des Parteikollegen aus Brandenburg distanziert hätte. Gauck
hatte sich in einem Interview dafür ausgesprochen, dass Deutschland
mehr Verantwortung in der Welt wahrnehmen solle, wobei er den Einsatz
militärischer Mittel nur als letztes Mittel bezeichnete. Das mag für
manche Menschen eine Zumutung sein. Ein Grund für verbales Rowdytum
ist es nicht. Schon beim Europaparteitag der Linken wurde Gauck als
jemand karikiert, der dabei ist, den nächsten Weltkrieg
vorzubereiten. Wer so maßlos und undifferenziert zum sprachlichen
Holzhammer greift, dem nimmt man übrigens die pazifistische Gesinnung
auch nicht mehr ab.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de