Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Merkel startet ins Wahljahr Ohne Machtoption ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Deutschlands Einfluss in der Welt und vor allem
in Europa ist groß. Ein Zeichen dafür war auch die Pressekonferenz
mit der Bundeskanzlerin, bei der die Eurokrise im Mittelpunkt stand
und sich besonders ausländische Journalisten zu Wort meldeten. Die so
nüchterne Angela Merkel zeigte bei dem Thema Europa Leidenschaft.
Dass der Euro allen Angriffen und Deutschland der Krise standgehalten
hat, sind die Gründe für die aktuelle Popularität der Kanzlerin. Vor
kurzem hat EU-Kommissar Günther Oettinger der deutschen
Regierungschefin eine Spitzenkarriere auf EU-Ebene prophezeit. Damit
lag er vielleicht gar nicht so falsch. Das Megathema Europa schützte
Merkel davor, sich zu stark in das Kleinklein der deutschen
Innenpolitik begeben zu müssen. Das war gut für sie. Denn
innenpolitisch passt in dieser Regierung immer noch nicht viel
zusammen. Ihre Beteuerungen, alles sei auf gutem Wege, klingen hohl.
Das Bildungssystem produziert immer mehr Verlierer, die
Einkommensschere wächst, beim Thema innere Sicherheit sagt der eine
hü und der andere hott, und in der Energiewende bekämpfen sich
Wirtschafts- und Umweltminister. Dass innenpolitisch diese Koalition
ein zerrüttetes Bild abliefert, ist keine Propaganda des politischen
Gegners, sondern wird vom Wahlvolk eindrucksvoll bestätigt. 54
Prozent haben die Nase voll von Schwarz-Gelb, nur 19 Prozent wünschen
sich eine Fortsetzung. Merkel mag auf dem Zenit ihrer Macht sein –
aber die von ihr geführte Regierung hat abgewirtschaftet. In diesem
Licht schrumpft die Bundeskanzlerin auf Normalmaß zusammen. Denn im
Grund hat sie für 2013 keine Machtoption. Vor Schwarz-Gelb gruselt es
den meisten Leuten. Und SPD oder Grüne wollen bisher nicht an die
Seite der Kanzlerin wechseln. Wohlwissend, dass Merkel es immer
geschafft hat, den Koalitionspartner klein zu bekommen.

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