Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Obama-Herausforderer Mitt Romney Schwer verwundet in die Schlacht DIRK HAUTKAPP, WASHINGTON

Das Gute an der Entscheidung Rick Santorums, das
Handtuch zu werfen, ist das damit verbundene Ende eines unter der
Gürtellinie verlaufenden Ideen-Boxkampfs, der die Rückständigkeit des
auf Verächtlichmachung angelegten politischen Systems in Amerika
aufdeckte. Das Schlechte: Der Mann, der in den Kampf gegen
Amtsinhaber Barack Obama ziehen wird, hängt nach vielen Platzwunden
aus dem republikanischen Vorwahlgetöse bereits schwer in den Seilen.
Mitt Romney hat sich so weit auf die rechtspopulistische, religiös
eingefärbte Außenbahn abdrängen lassen, dass der Rückmarsch in die
wahlentscheidende Mitte beschwerlich wird, dorthin, wo nicht die
Bibel das Gesetz ist. Auch wenn der Ostküstenmoderate für seine
elastischen Überzeugungen bekannt ist: Die Neuerfindung, die ihm
diesmal abverlangt wird, hat es in sich. Romney hat in der
Vorwahl-Geisterbahn wichtige Wählergruppen mit radikalen Positionen
(Abtreibung, Sozialleistungen, Einwanderung) tief erschreckt. Bei
Frauen, Vertretern der unteren Mittelklasse, bei den Armen und den
Latinos ist der Multimillionär unten durch. Der frühere
Risikokapitalinvestor hat in diesem Experiment viele offene Flanken.
Mit seinem lächerlich geringen Einkommenssteuersatz, den verborgenen
Konten in Steueroasen und seinem Credo für Steuersenkungen, weniger
Sozialstaat und einem von Regulierung befreiten Kapitalismus
verkörpert Romney das, was Obama und die Demokraten in den
Mittelpunkt rücken: die drastischer werdende Spaltung einer einst auf
Mobilität für alle geeichten Gesellschaft, in der sich heute wenige
Alleshaber und Abermillionen gegenüberstehen, die sich abstrampeln
und so eben über die Runden kommen. Fazit: Amerika startet in einen
Gerechtigkeits-Wahlkampf mit europäischen Anklängen. Wer hätte das
gedacht?

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