Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Raketen auf Jerusalem Abendländische Werte THOMAS SEIM

Es ist eine Tragödie: In gut fünf Wochen feiern
wir Weihnachten, das Fest des Friedens und der Nächstenliebe, und
gleichzeitig eskaliert im Geburtsland Jesu Christi der Krieg. Es ist
ein Krieg, der vor mehr als vier Wochen mit einer neuen Art der
Aggression gegen Israel begann: Die Hamas – das ist die
verbrecherische Terror-Organisation, die die Vertreter der
rechtmäßigen und gemäßigten Palästinenser-Regierung von Mahmud Abbas
aus Gaza vertrieben hat – schoss neuartige Raketen auf israelisches
Gebiet ab. Am Donnerstag erreichte sie damit Tel Aviv, gestern sogar
Jerusalem. Die israelische Regierung reagiert zunächst mit der Tötung
des Hamas-Führers Ahmed al Dschabari. Es folgen weitere Luftangriffe.
Nun macht sie mobil. Die Hamas wiederum erklärt die Eskalation ihrer
Angriffe mit der Offensive des Siedlungsbaus der Israelis auf
palästinensischem Gebiet, den die Regierung Netanjahu vorantreibt.
Die Kriegsgegner im Nahen Osten verfahren nach dem
Auge-um-Auge-Prinzip. Sie verstehen es dabei als Prinzip der Rache
und verdrängen, dass es sich nicht um eines der Eskalation, sondern
um eines der Deeskalation handelt. Keine Reaktion auf einen Angriff
soll größer sein dürfen als der Angriff selbst. Auch so – defensiv –
kann man diese Devise lesen. Wir Deutsche haben schon wegen unserer
verheerenden Geschichte des Nationalsozialismus eine Verantwortung an
der Seite Israels. Aber auch deshalb: Es sind die abendländischen
Werte von Demokratie und Selbstbestimmung, von Freiheit und
Aufklärung, für die Israel im Nahen Osten steht. Als einziger Staat.
Die Vizepräsidentin der Jüdischen Weltkongresses, Charlotte Knobloch,
hat recht, wenn sie sagt, dass der Terror alles „kaputt“ macht,
„woran wir glauben“. Es macht zugleich betroffen, wenn sie klagt, es
sei „bedauerlich, wie wenig Verständnis in weiten Teilen der
Bevölkerung und der Medien für die einzigartige geopolitische
Situation Israels herrscht“. Das darf tatsächlich nicht sein. Für
Deutschland gibt es in diesem Konflikt keine Äquidistanz. Aber gerade
weil wir uns Israel verbunden fühlen, muss man auf die Sorgen und
Gefahren hinweisen dürfen, die mit der kalten Strategie eines
skrupellosen Machttaktikers wie des israelischen Ministerpräsidenten
Netanjahu verbunden sind. Auge um Auge – ja, Israel hat das Recht auf
Selbstverteidigung. Aber es ist zugleich der große Irrtum eines Teils
des jüdischen Volkes, dass es dauerhaften Frieden im Krieg gewinnen
kann. Das Gegenteil ist der Fall. Deshalb muss man die Israelis an
den zweiten Teil des Vermächtnisses ihres Staatsgründers und
erfolgreichsten Kriegsherrn Ben Gurion erinnern: „Wir bieten allen
unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zum Frieden und
guter Nachbarschaft (. . .) mit dem selbstständigen jüdischen Volk in
seiner Heimat (. . .) Der Staat Israel ist bereit, seinen Beitrag bei
gemeinsamen Bemühungen um den Fortschritt des gesamten Nahen Ostens
zu leisten.“ Nur mit diesen abendländischen Werten ist Frieden zu
gewinnen.

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