Politik entwickelt sich selten nach einem
Drehbuch. Die Realität hält sich an kein Wahlprogramm. Wer wüsste das
besser als die SPD? Gerhard Schröder erfand 2003 ohne Blaupause die
Agenda 2010, um Deutschland, den „kranken Mann Europas“ mit über fünf
Millionen Arbeitslosen, wieder flottzumachen. Bundesfinanzminister
Peer Steinbrück musste 2008 mit unkonventionellen Mitteln auf die
brutalste Finanzkrise seit der Großen Depression reagieren.
Wahlprogramme sind trotzdem wichtig, weniger als exakte
Regieanweisung, sondern weil sich in ihnen eine Philosophie
manifestiert. Im Entwurf zum SPD-Wahlprogramm 2013 steckt die etwas
einseitige Idee, dass die Bundestagswahlen im Herbst anhand von
Gerechtigkeitsfragen entschieden werden. Natürlich besitzt die SPD
hier eine hohe Kompetenz: Mindestlohn, Ganztagsschulen,
Entgeltgleichheit, Frauenquote, Solidarrente – alles wichtig und
richtig. Die soziale Kompetenz ist für die SPD notwendig, aber nicht
hinreichend. Wahlkämpfe gewinnen auch die Genossen nur dann, wenn sie
gleichzeitig ökonomische Kompetenz vermitteln. Gerhard Schröder trat
zum Beispiel 1998 mit der genialen Losung „Innovation und
Gerechtigkeit“ an. Wirtschaftlicher Sachverstand ist wesentlich, denn
der Aufstieg des Einzelnen unabhängig von seiner Herkunft setzt auch
eine dynamische, wettbewerbsfähige Wirtschaft voraus. Da ist in dem
Entwurf noch viel Luft nach oben. Sicher muss die Steuerbasis
verbreitert werden, um mehr Geld für die Bildung bereitzustellen.
Aber gerade dem Mittelstand oder allgemein den Leistungsträgern
sollte die SPD mehr bieten als die Aussicht auf Steuer- und
Abgabenerhöhung. Wo bleiben die zündenden Ideen für die Wertschöpfung
der Zukunft, für den Ausbau der Infrastruktur, für den richtigen Weg
in der Energiewende? Da fehlt noch was.
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