Christian Wulff ist seit gestern Abend ein
historischer Präsident. Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik
muss sich der Immunitätsausschuss des Bundestages mit der Frage
beschäftigen, ob er die Immunität des Staatsoberhautes aufhebt.
Allein das reicht nun eigentlich für einen Rückzug vom Amt.
Selbstverständlich gilt auch für den Bundespräsidenten die
Unschuldsvermutung. Und selbstverständlich hat auch Wulff ein Anrecht
auf rechtliches Gehör. Aber es geht hier schon lange nicht mehr nur
um die Rechtslage. Seit dem 13. Dezember 2011 erleben wir den Zerfall
politischer Autorität. Zunächst nur die Person, inzwischen auch das
Amt sind nachhaltig beschädigt. Unvorstellbar, dass Wulff jemals
etwas von jener Autorität zurückgewinnen könnte, die er zur Ausübung
seines Amtes benötigte. Wulff aber zeigt sich immun gegen alle solche
Vorhaltungen. Er bleibt einfach sitzen. Damit wird sein Fall langsam,
aber stetig auch zu einem Fall Merkel. Sie hat sich in der
Beherrschungder Wulff-Affäre und mit ihrem Krisenmanagement
erfolgreich zur Präsidialkanzlerin entwickelt. Sie ist die derzeit
einzige politische Autorität, die eine Mehrheit hinter sich
versammeln kann. Eine Bestandsgarantie dafür gibt es indes nicht. Je
länger die Affäre dauert, desto stärker wächst die Gefahr für Merkel,
in den Abwärtsstrudel des von ihr erwählten Präsidenten hineingezogen
zu werden. Merkels Problem: Sie hat außer ihrer Autorität kein
Mittel, Wulff aus dem Amt zu bringen. Ist der Präsident erst einmal
gewählt, gibt es hohe Hürden für ein Amtsenthebungsverfahren. Nur
Wulff selbst könnte die Blockade beenden, in die er sich und das Amt
manövriert hat. Dazu bräuchte es Charakter, Anstand und
Aufrichtigkeit. Eigenschaften, die ein würdiges Staatsoberhaupt
braucht. Wulff hat sie offenbar nicht.
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