Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Tod von Kim Jong Il

Der Führer ist tot, lang lebe der Führer

Es wäre verfrüht, nach dem Tod von Kim Jong-Il auf ein baldiges
Ende der Diktatur zu hoffen. Sein Sohn Jong-un steht als Nachfolger
bereit. Und es sieht nicht so aus, als ob irgendjemand in der nahen
Zukunft Interesse hätte, sich seiner zu entledigen – weder die USA,
noch die Nachbarn noch das Volk und die Eliten in Nordkorea.  Kims
Tod kommt höchst ungelegen, denn er verstärkt die geo- und
innenpolitische Unsicherheitslage in Nordostasien in einem kritischen
Jahr. Die Weltwirtschaft steht auf der Kippe, während gleichzeitig in
allen Staaten, die Aktien in den nuklearen Abrüstungsverhandlungen
mit Nordkorea haben, Machtwechsel anstehen. China bekommt einen neuen
Regierungschef, in Russland, den USA und Südkorea stehen
Präsidentschaftswahlen an und in Japan könnte es vorgezogene
Neuwahlen geben.  Zwar ist die Nachfolge schlecht vorbereitet und
intern höchst umstritten: Jong-un ist mit 28 Jahren blutjung und
unerfahren. Stellvertretend für viele Kader kritisierte Kims in
Ungnade gefallener älterer Bruder Yong-nam die dynastische Erbfolge
aus seinem chinesischen Exil.  Dennoch ist ein plötzlicher
Zusammenbruch des Regimes unwahrscheinlich. 2012 wird das Land pompös
den 100. Geburtstag des Staatsgründers Kim Il-sung begehen. Die
Feierlichkeiten bieten dem Regime die Gelegenheit, den jungen Kim zum
neuen Führer aufzubauen. Und auch die politische Elite in Südkorea
ist entschlossen, eine Übernahme ihrer Verwandten aus dem verarmten
Norden nach deutschem Vorbild zu verhindern und setzt stattdessen auf
eine langsame Annäherung. Eine militärische Eskalation kann zwar auch
nicht ausgeschlossen werden, aber es öffnet sich die Gelegenheit zum
Dialog. Besonders Südkoreas Regierung könnte den Tod des Erzfeindes
nutzen, ihre Dialogverweigerung aufzuweichen.

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