Über die Hälfte der Bürger sehnt sich nach einer
großen Koalition. Dieser Befund mutet in einer Konsensgesellschaft
wie der deutschen nicht so überraschend an. Erstaunlich ist eher,
dass der allergrößte Fan von Schwarz-Rot ausgerechnet in einem
schwarz-gelben Kabinett sitzt. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen
(CDU) sendet neuerdings bevorzugt großkoalitionäre Signale aus, was
die FDP zur Weißglut treibt. Für die Liberalen ist die zierliche
Arbeitsministerin das, was man im Englischen eine „loose cannon“
nennt, also eine tickende Zeitbombe. Schon mit dem Thema Altersarmut
hat von der Leyen die FDP nachhaltig verärgert. Und jetzt steht im
neuen Armutsbericht aus ihrem Hause auch noch dieser Satz: „Die
Bundesregierung prüft, ob und wie über die Progression in der
Einkommensteuer hinaus privater Reichtum für die nachhaltige
Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann.“ Die
Liberalen lesen zwischen den Zeilen die verdeckte Aufforderung zur
Steuererhöhung heraus. Kein Wunder, dass FDP-Chef Philipp Rösler dem
Bericht nicht zustimmen will. Von der Leyen hat aber offenbar längst
beschlossen, keine Rücksichten mehr zu nehmen. Ihr Gespür sagt ihr,
dass Schwarz-Gelb Geschichte ist und im nächsten Bundestagswahlkampf
das Thema Gerechtigkeit eine herausgehobene Rolle spielen wird.
Trifft ihre Analyse zu, was wahrscheinlich ist, wird die Kanzlerin
auf die profilierte Ministerin nicht verzichten können.
Narrenfreiheit genießt von der Leyen deshalb nicht: Merkel hat ihr
jüngst unverblümt zu verstehen gegeben, dass sie von ihrer
Zuschussrente nicht viel hält. Aber vergraulen darf Merkel die
Arbeitsministerin nicht. Selbst wenn von der Leyen immer wieder den
Finger in die Wunde legt und demonstriert, wie tief der Graben
zwischen Schwarz und Gelb ist.
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