Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Warten auf Karlsruhe Haltung, Frau Merkel! BERNHARD HÄNEL

Im Bundeskanzleramt muss es einen Virus geben –
der des Aussitzens von Entscheidungen. Helmut Kohl war davon ebenso
befallen wie Gerhard Schröder. Und jetzt also Angela Merkel. Statt
Position zu beziehen dazu, wie die Politik künftig die steuerliche
Gleichstellung heterosexueller und homosexueller Paare herzustellen
gedenkt, will die Kanzlerin auf ein Votum aus Karlsruhe warten.
Entscheidungsfähigkeit und Gestaltungswillen ist das nicht. Immer
mehr wird Merkel zu einer getriebenen, fremdbestimmten Politikerin.
Damit eckt man nicht an, denn aus der Position des Beobachters lässt
sich die innerparteiliche und gesellschaftliche Diskussion
analysieren, um am Ende dem Mainstream zu folgen. Eigene Gedanken und
Beiträge – Fehlanzeige. Von einer Regierungschefin darf Haltung und
Richtung erwartet werden. Sie muss das Für und Wider benennen können
und zur Diskussion und Meinungsfindung anregen. Sonst laufen die
Dinge aus dem Ruder. Nahezu alle Argumente für eine Haltung könnte
Merkel im Grundsatzprogramm ihrer Partei finden. Die fordert seit
mehr als einem Jahrzehnt die Ersetzung des Ehegatten- durch ein
Familiensplitting. Aus Gründen der Gerechtigkeit, denn der Staat
mutet Familien mit Kindern erhebliche Belastungen zu, ohne sie
angemessen steuerlich zu entlasten. Verheiratet sein dagegen ist kein
hinreichender Grund für eine steuerliche Begünstigung. Gegenseitige
Unterhaltsverpflichtungen gehören in den Bereich des Zivilrechts und
nicht des Steuerrechts. Das Ehegattensplitting ist ein Relikt aus
vergangenen Zeiten, da Vater das Geld verdiente und Mutter sich um
die Erziehung der Kinder kümmerte. Die Realität heute sieht anders
aus. Damit ist der Grund für das Ehegattensplitting weggefallen.
Seine Ersetzung durch ein gerechtes, die Familien deutlich
entlastendes Splitting ist angesagt.

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