Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar zu Eurokrise Drängende Fragen MARTIN KRAUSE

Italien liefert immer Gesprächsstoff. Seit
Jahren sind es häufig die nördlich der Alpen kaum nachvollziehbaren
Eskapaden von Regierungschef Silvio Berlusconi, die für Verwunderung
sorgen und für Schmunzeln. So sind sie eben, die Nachbarn. Wenn
Italien auf den internationalen Finanzmärkten keine Kredite mehr
erhält, wird alles anders. Sollte das G-7-Land, das noch immer eine
der größten Wirtschaftsnationen der Welt ist, an den Rand einer
Staatspleite geraten, dann bekommt die europäische Schuldenkrise eine
neue Dimension. Kein Wunder, dass in Brüssel und Berlin alle
Beteiligten versuchen, die Sorgen kleinzureden. Auch ohne
beunruhigende Politiker-Kommentare sind die Börsen nervös. Der
Eurokurs, den die Krisen in Griechenland, Portugal und Irland kaum
knicken konnten, ist auf Sinkflug gegangen. Jetzt droht eine
Bruchlandung. Europas Politiker können sich nicht mehr um
grundlegende Entscheidungen herumdrücken. Sie müssen drängende Fragen
beantworten. Wie viel darf die Währungsunion kosten? Wie hoch wäre
der Preis für eine Rückkehr zu währungspolitischer Kleinstaaterei?
Brüssels Plan zur Lösung der Krise war zu schlicht: Langfristig
sparen, langfristig jede nötige Liquidität garantieren. Doch egal, ob
Eurobonds ausgegeben werden oder das Geld gedruckt wird: Mit dem
Stopfen der Haushaltslöcher ist es nicht getan. Es fehlt ein
Masterplan, um den nicht wettbewerbsfähigen Südländern auf die Beine
zu helfen. Für eine gewisse Zeit müsste Deutschland bereit sein zur
Transferunion – sprich: zur Entwicklungshilfe. Einst brauchten
Bremen, das Saarland und das Ruhrgebiet Hilfe, heute der deutsche
Osten. Gibt es die Bereitschaft, jetzt den Peloponnes und Sizilien
gemeinsam auf Vordermann zu bringen? Oder überwiegt die Furcht vor
Misswirtschaft, Korruption und Eskapaden?

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