Es ist in jedem Fall richtig, die Debatte um
eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit intensiv zu führen. Und es
ist richtig, sie rechtzeitig, nämlich heute, zu führen. Millionen
Arbeitnehmer wollen ihre Lebensplanung darauf einstellen, wie lange
sie arbeiten müssen und mit welchen Ruhestandsbezügen sie rechnen
können. Als die Große Koalition mit ihrem Arbeitsminister Franz
Müntefering (SPD) das Rentenalter vor einigen Jahren schrittweise von
65 auf 67 Jahre heraufgesetzt hat, fand diese Debatte nicht statt.
Das hat der SPD bitter wehgetan. Nach parteiinternen Analysen ist die
„Rente mit 67“ ein Grund für den Niedergang der Genossen. Jetzt
erholen die sich, weil sie unter anderem diesen Beschluss wieder in
Frage stellen. Die aktuelle Renten-Auseinandersetzung läuft jedoch
nicht auf der Basis von sachlicher Argumentation, sondern entlang
ideologischer Gräben. Wenn der Experte Michael Hüther von einem
Institut, das den Arbeitgebern nahesteht, das Wort ergreift, weiß
jeder vorab, dass er für eine noch spätere Rente plädiert. Äußert
sich die Gewerkschaft, geht es in die andere Richtung. Das Problem
ist, dass die individuelle Lebens- und Arbeitswirklichkeit so
unterschiedlich ist, dass ihr mit einer pauschalen Rentendebatte und
Rentenregelung nicht beizukommen ist. Natürlich gibt es Menschen, die
in der Lage sind, bis zum 70. Geburtstag zu arbeiten, und das auch
gern täten. Andere sind dagegen mit 55 völlig am Ende. In einigen
Branchen findet ein 60-Jähriger gar keinen Job mehr, in anderen
werden händeringend erfahrene Fachkräfte gesucht. Statt eine
Diskussion allein über die Zahlen zu führen, sollten die Fachleute
lieber darüber streiten, wie ein differenzierter und dennoch halbwegs
gerechter Ausstieg aus dem Berufsleben zu bewerkstelligen ist, ohne
die Rentenversicherung zu überfordern.
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