NRZ: Am Ziel vorbeigeschossen – Kommentar zu Olympischen Medaillen von Reinhard Schüssler

Wie viel Gold braucht das Land? Wohlgemerkt: Nicht
von den Gold-Reserven der Bundesbank ist die Rede, sondern von
Medaillen bei den Olympischen Spielen. Nimmt man die gestern
veröffentlichten so genannten Zielvereinbarungen zwischen dem
Deutschen Olympischen Sportverband und seinen Fachverbänden für bare
Münze, müsste für das deutsche Team in London am Ende 86-mal
Edelmetall herausspringen. Welcher Funktionär oder Politiker jedoch
ernsthaft damit gerechnet hätte, sollte als Dienstkleidung künftig
eine Zwangsjacke beanspruchen. Bundesinnenminister Hans-Peter
Friedrich hat sich gestern denn auch beeilt einzuräumen, er sei mit
der absehbaren Bilanz von gut 40 Medaillen „nicht unzufrieden“.
Tatsächlich hatten auch die führenden Vertreter des deutschen Sports
vor den Spielen immer versichert, das Ziel für London sei eine
vergleichbare Bilanz wie in Peking, wo es 41 Medaillen, davon 16
goldene, gab. Selbst wenn sie damit bloß Anreize schaffen,
Motivationshilfe leisten wollten, sind die „Zielvereinbarer“ mit den
utopisch anmutenden Zahlen weit übers Ziel hinaus geschossen. Zumal
der fatale Eindruck erweckt wurde, Verbände könnten bei
Nichterfüllung kompromisslos mit Kürzung von Fördergeldern abgestraft
werden. Wer sich allerdings grundsätzlich über die Verknüpfung von
Sportförderung mit Medaillenerwartungen aufregt, sollte sich fragen,
wie er im umgekehrten Fall reagieren würde: Wenn nämlich der Bund
sagen würde, es interessiere ihn nicht, wie seine in den Spitzensport
investierten Millionen angelegt werden. Nebenbei: Sollte es auch in
Österreich Zielvereinbarungen geben, stünden die Deutschen allemal
besser da. Die Bilanz unserer Nachbarn: null Medaillen.

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