NRZ: Bemerkenswerte Einlassungen – ein Kommentar von JAN JESSEN

Bundesumweltminister Peter Altmaier hat sich in
bemerkenswerter Weise zur Energiewende eingelassen. Manche Ziele
seien nicht oder nur schwerlich erreichbar, zudem seien bei der
Koordinierung des Projekts Fehler gemacht worden. Das ist erstens
eine Ohrfeige für seinen Amtsvorgänger Norbert Röttgen und zweitens
ein Eingeständnis des Versagens der schwarz-gelben Koalition
insgesamt. Altmaier hat recht, bislang läuft es alles andere als
rund: Der Netzausbau kommt allenfalls schleppend voran, die
energetische Gebäudesanierung ist zum Zankapfel zwischen Bund und
Ländern geworden; nur um zwei Beispiele zu nennen.

Altmaiers Äußerungen sind aber keinesfalls nur eine ehrliche
Diagnose. Sie sind auch deswegen bemerkenswert, weil in ihnen jener
eigentümliche alarmistische Unterton anklingt, der die Energiewende
für viele Bürger zu einem Bedrohungsszenario werden lässt. Der Strom
muss bezahlbar bleiben, sagt Altmaier, und das nicht zum ersten Mal.
Natürlich müssen sich Verbraucher den Strom auch in Zukunft leisten
können, was für eine Frage. Aber: Die Energiewende als
unverantwortbarer Kostentreiber – das ist die Klaviatur, auf der in
jüngster Zeit die Energiekonzerne und diverse Wirtschaftsinstitute
spielen, die alle nicht als Freunde des Atomausstiegs gelten. All
diese Schwarzmaler unterschlagen die kostendämpfenden Elemente des
Projekts, konkret: Energieeinsparung und Steigerung der
Energieeffizienz. Sie vergessen auch zu erwähnen, dass die
energieintensive Industrie von Schwarz-Gelb immer häufiger aus der
Verantwortung entlassen wird; inzwischen zahlen schon etwa 600 Firmen
(die für 15 Prozent des gesamten Stromverbrauchs verantwortlich sind)
eine reduzierte Ökostrom-Umlage. Das aber treibt die Kosten für den
normalen Stromkunden in die Höhe.

Ein Bundesumweltminister sollte Mut zu machen und für die Chancen
dieses gesamtgesellschaftlichen Großprojekts werben. Stattdessen
schürt Peter Altmaier – ob bewusst oder unbewusst – Ängste und
Antipathie in der Bevölkerung. Und seine Äußerungen bereiten den
Boden für kommende Diskussionen: Ob an dem Atomausstiegs-Datum 2022
festgehalten werden kann.

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