Angela Merkel lehnt sich selten und höchst ungern
aus dem Fenster. Aber 2010 hat die Kanzlerin etwas riskiert. Da hat
sie den dänischen Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard gewürdigt.
Das war kein Zufall, sondern vielmehr ein Signal. Es ist aktueller
denn je; jetzt, wo in vielen muslimischen Staaten wieder der Mob
wütet, diesmal wegen eines US-Videos. Ein Film kann Kunst und in
jedem Fall eine Meinungsäußerung sein, aber er kann auch wie eine
Hasspredigt wirken. Das ist der springende Punkt, wenn die Partei
„Pro Deutschland“ ihn in einem Kino zeigen will. Die Rechtsradikalen
wollen bloß Öl ins Feuer gießen. Den Film darf man nicht verbieten.
Das wäre Zensur. Aber man muss es nicht im Namen der Freiheit auf
jeden Krawall ankommen lassen. Wer das Video sehen will, kann das,
ohne ein Tribunal daraus zu machen. Richtig ist auch, sich den
eifernden US-Prediger Terry Jones vom Halse zu halten.
Gotteslästerung ist schwer erträglich, genauso Spott und Satire wie
zuletzt die „Titanic“ mit ihrem umstrittenen Papst-Cover.
Gotteslästerung bleibt nie widerspruchslos, und in Berlin wurde vor
ein paar Jahren aus lauter Angst vor Islamisten sogar eine
Mozart-Oper abgesetzt. Das war Feigheit. Die Offenheit einer
Gesellschaft zeigt sich daran, dass die Meinungsfreiheit des
Karikaturisten Kurt Westergaard oder eines Autors wie Salman Rushdie
auch gegenüber jeder Religion gilt. Europa, jedenfalls der größte
Teil des Kontinents, ist der Raum, in dem man so frei ist;
Meinungsfreiheit verteidigt, ganz gleich, ob man die Kritik in einem
Buch, einem Film oder einer Karikatur teilt oder als geschmacklos
empfindet. Eine ganz andere Frage ist, wie sich der Staat verhält.
Das ist dann weniger eine Frage der Haltung als quasi der Handlung.
Man kann davon ausgehen, dass der Film die Muslime verletzt. Darauf
ist er angelegt, deshalb wurde er gedreht. Nicht jeder lässt seine
Wut an den Botschaften aus. Aber viele von ihnen werden darauf
achten, ob das Schmähvideo politisch geschützt wird. Es ist eine
Verunglimpfung, und die muss der Staat sich wirklich nicht zu eigen
machen.
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