Das ist eine gute Nachricht für die demokratische
Kultur unseres Landes. Joachim Gauck wird neuer Bundespräsident. Es
war gut, dass sich auch die Union schnell auf den Kandidaten von SPD
und Grünen einigen konnte. Vor allem die Kanzlerin musste sich einen
Ruck geben. Angela Merkel hatte noch vor eineinhalb Jahren ihren
ganzen Einfluss geltend gemacht, um Gauck zu verhindern und Christian
Wulff irgendwie ins Schloss Bellevue zu befördern. Aber gerade sie
weiß, dass der ehemalige DDR-Bürgerrechtler nicht nur große
politische Unterstützung genießt, sondern schon jetzt mit der
Sympathie der Mehrheit der Deutschen rechnen kann. Es ist eine gute
Nachricht, weil endlich das übliche Parteiengezänk über das höchste
Amt im Staate vermieden wurde. Der zurzeit beste Kandidat wird
aufgestellt, auch auf die Gefahr hin, dass dies als Eingeständnis
eines Irrtums der Regierungskoalition bei der letzten Bundestagswahl
gewertet wird. Viel wichtiger ist das Signal an die Bevölkerung:
Berlin hat verstanden! Dieses Mal kein unwürdiges Geschacher und
Gezerre um Personen, sondern eine schnelle, fast einmütige
Entscheidung, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewiss mit
Erleichterung aufgenommen wird. Ausschlaggebend war die FDP. Sie hat
ihre klassische Rolle als Zünglein an der Waage eiskalt genutzt, um
der Union eine Entscheidung abzuverlangen. Ihre klare Entscheidung
für Joachim Gauck hat die Kanzlerin vor die Machtfrage gestellt. Denn
die Regierungskoalition hätte die Belastung einer abtrünnigen FDP bei
der Bundespräsidentenwahl kaum aushalten können. Angela Merkel, deren
eigentliches Element die Krise ist, hat in den sauren Apfel gebissen
und am Ende sich selbst, vor allem aber dem Land einen Gefallen
getan. Nach dem Debakel um Christian Wulff ist die Glaubwürdigkeit
der Mächtigen angeschlagen. Für viele ist das Fehlverhalten des
Ex-Präsidenten symptomatisch für unsere politische Kultur. Joachim
Gauck hat sein Leben lang für die Demokratie gekämpft, in der
DDR-Diktatur auch gelitten, weil Freiheit ein kostbares Gut ist.
Einer Partei kann man diesen Mann schwer zuschlagen, dafür ist sein
Denken zu selbstständig. Er selbst sagt über sich, er sei ein
„linker, liberaler Konservativer“. Für das Amt des Bundespräsidenten
qualifiziert ihn schon seine herausragende Redekunst, mit der er auch
ohne Funktion große Hallen zu überfüllen versteht. „Worterfahren,
wortmächtig“, so hat die Kanzlerin vor zwei Jahren anlässlich seines
70.Geburtstags gelobt. Jetzt kann sie sich gemeinsam mit uns auf
viele unbequeme Reden des elften Bundespräsidenten Joachim Gauck
freuen.
Pressekontakt:
Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Redaktion
Telefon: 0201/8042616