Nun ist Joachim Gauck also unser Staatsoberhaupt.
Getragen, nicht nur von fünf Parteien, sondern vor allem von der
Mehrheit der Menschen. Große Erwartungen sind mit seiner Wahl
verbunden. Er wird viele, aber nicht alle erfüllen können. Er mag ein
Präsident der Herzen sein, „Everybody“s Darling“ ist er aber gewiss
nicht. Joachim Gauck hat sich in der ehemaligen DDR, aber auch nach
der Wiedervereinigung, nie vereinnahmen lassen. Wenn er selbst nicht
immer die Speerspitze des Widerstands war, so ist er doch ein
begnadeter Widerborstiger. Bequem wird er es sich im Schloss Bellevue
nicht machen wollen.
„Glamour“, das große Thema der Wulffs, ist Gauck so fern wie die
Freude am Firlefanz der feinen Gesellschaft. Der neue Bundespräsident
ist ein Querdenker, manchmal ein Quertreiber. Er wird auch all denen
Überraschungen bescheren, die ihn nominiert haben. Die Kanzlerin
ahnt, was da auf sie zukommt. Vor allem Konkurrenz, wenn es um die
Sympathie der Bevölkerung geht. Angela Merkel ist seit gestern nicht
mehr die Alleinherrscherin im Reich der Mitte.
Wir Bürger dürfen uns auf einen Präsidenten freuen, der etwas zu
sagen hat, selbst wenn es gelegentlich wie eine Predigt klingt.
Joachim Gaucks großes Lebensthema bleibt „Freiheit“. Das hat er in
seiner Ansprache erneut deutlich gemacht hat. Schon mäkeln die
Superschlauen, er müsse sich einmal etwas Neues einfallen lassen:
Atom, Umwelt, Internet usw. Aber ein Allesversteher im höchsten
Staatsamt, der jedem flüchtigen Trend hinterherhechelt, wäre ein
Graus.
Gauck sollte ein Gegengewicht zu den öden Tagespolitikern sein,
die allabendlich in den Fernseh-Brüllbuden den Ton angeben. Sein
kluges öffentliches Reden über die Freiheit ist sogar notwendig.
Joachim Gauck spricht ja nicht nur über die Freiheit von etwas.
Sondern er fordert uns eindrücklich auf, darüber nachzudenken, was
wir mit gewonnener, nicht geschenkter Freiheit eigentlich anfangen
wollen. Vielleicht müssen wir uns die Freiheit immer wieder
verdienen, indem wir sie nicht zum Vergnügen, sondern zum Wohl der
Allgemeinheit nutzen.
Joachim Gauck hat größte Zustimmung gefunden und manche
Vorschusslorbeeren erhalten. Nun hat er die Chance, ein
Bürgerpräsident zu werden, so wie es Gustav Heinemann war. Herr
Gauck, bitte enttäuschen Sie uns nicht!
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