NRZ: Kommunikative Katastrophe – Kommentar von Manfred Lachniet

Kurzschlussreaktionen sind selten gut. Und einem
Staatsoberhaupt stehen sie gar nicht gut zu Gesicht. Dass
Bundespräsident Christian Wulff seinen Besuch im neuen und fünf
Milliarden Euro teuren Stahlwerk von ThyssenKrupp bei Rio de Janeiro
kurzerhand abgesagt hat, wirkt befremdlich. War er schlecht
informiert? Wollte er sich medienwirksam auf die Arbeitsnehmerseite
schlagen? Wie auch immer: Sowohl das Staatsoberhaupt als auch
Heinrich Hiesinger als neuer Konzernchef stehen nun ziemlich
belämmert da. Beide Akteure haben im Vorfeld wohl nicht direkt
miteinander, sondern offenbar nur über Dritte miteinander
kommuniziert. Ein Fehler. Wulff hatte sich bei seiner Entscheidung
augenscheinlich auf eine Boulevardzeitung verlassen, die von
Massenentlassungen bei ThyssenKrupp berichtet hatte. Genau dies ist
aber nicht der Fall: Es geht um den Verkauf von Unternehmensteilen an
neue Eigner, die das jeweilige Geschäft womöglich besser beherrschen
als ThyssenKrupp. Darüber hätte Wulff doch prima mit dem
ThyssenKrupp-Chef reden können. Die kommunikative Katastrophe kann
man aber auch positiv sehen: Der Konzernumbau rückt nun erst recht
ins politische Rampenlicht: Für die Arbeitnehmer ist das eine gute
Chance, ihre Belange nach vorn zu bringen.

Pressekontakt:
Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Redaktion

Telefon: 0201/8042607