Das ist eine seltsame Aufführung auf dem
SPD-Parteitag: In zwei Wochen wird die SPD-Spitze einen
Koalitionsvertrag mit der Union fertig ausgehandelt haben, die großen
Linien stehen längst fest. Nur sagen mochte das keiner der
Unterhändler auf dem Parteitag. Denn dort wurde deutlich, wie
zögerlich sich die SPD-Basis dem Gedanken ans ungeliebte Bündnis
nähert. So bemüht sich die Parteispitze umgekehrt, mit einer Mischung
aus Zerknirschung, Tricks und neuer Geschmeidigkeit den Skeptikern
entgegenzukommen. Der Ausgang der Verhandlungen ist angeblich völlig
offen, zugleich soll die Perspektive künftiger rot-rot-grüner
Mehrheit die Kritiker beruhigen. Ob das gutgeht beim Mitgliedervotum?
Die Zwischenbilanz der Verhandlungen ist ja gar nicht schlecht. Was
den Skeptikern fehlt, ist ein Symbol für einen echten Politikwechsel,
wie es das Thema Steuergerechtigkeit hätte sein können. Parteichef
Gabriel hat darauf früh verzichtet, er kalkuliert anders: Ist die SPD
erst mal wieder Regierungspartei, wird sich vieles von allein ergeben
– nicht zuletzt durch einen Abschwung der Union, sollte die Kanzlerin
2017 wirklich auf eine erneute Kandidatur verzichten. Bis dahin will
Gabriel die SPD als Regierungspartei irgendwo in der Mitte breit
aufstellen, mit allen Mehrheitsoptionen. Sein Problem ist nur, dass
er der SPD die Oppositionsjahre mit einem moderaten Linksruck versüßt
hat. Da kann Gabriel die neue Realpolitik nur in vorsichtiger
Dosierung vermitteln. Deshalb die Leipziger Aufführung.
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