NRZ: Neue Ruhr Zeitung:
Die verstörende Macht der Bilder
Kommentar von NRZ-Chefredakteur

Ein gewaltiges Erdbeben hat sich auf der anderen
Seite der Erde ereignet und auch uns tief erschüttert. Niemand kann
sich der verstörenden Macht der Bilder aus dem von historischen
Unglücken schwer getroffenen Japan entziehen. Eine global vernetzte
Welt hat einen wahren Medien-Tsunami in unsere Wohnzimmer gespült und
verschafft die zweifelhafte Chance, großes Leid und Unglück „live“
beobachten zu können. Ist das eigentlich „fernsehen“ oder „gaffen“
wie beim Unfall auf der Autobahn? Die meisten Deutschen fühlen mit
den Menschen, die zu Opfern einer für uns kaum vorstellbaren
Naturkatastrophe geworden sind. Erinnerungen an den Tsunami, der 2004
in Asien über eine Viertel Million Tote forderte, sind
unausweichlich. So schockiert das Mega-Beben die ganze Welt, weil es
Urängste wach ruft. Erdbeben und Monsterwellen konfrontieren uns
Menschen mit einer banalen, oft verdrängten Tatsache: Wir sind nicht
die Meister des Universums – auch wenn wir uns gerne so aufspielen.
Mächtiger als der Mensch bleibt die Natur. Nun hat die Wucht
elementarer Kräfte eine der am höchsten technisierten Nationen der
Welt getroffen. Die Folgen sind noch unabsehbar. Besonders
beängstigend sind die Bilder brennender Atomkraftwerke. Seit dem GAU
von Tschernobyl stand die Welt noch nie so nah vor einer atomaren
Katastrophe. Reaktoren außer Kontrolle; Evakuierungen rund um AKWs –
auch das sind apokalyptische Nachrichten. Nach dem Beben und der
furchtbaren Flut droht eine Reaktorkatastrophe. Allerdings wäre die
nicht Folge der unkontrollierbaren Naturgewalten, sondern von
Menschenhand gemacht. Denn Atomkraft ist nicht so sicher, wie wir es
glauben sollen. Aus diesem Schock kann die Politik lernen, nicht nur
in Japan, sondern auch in Europa. Das nächste Erdbeben ist
unvermeidlich, der atomare GAU nicht unbedingt. Beeindruckend ist die
schnelle internationale Hilfe für Japan. Gerade Nationen wie Korea,
Russland oder China, die mit Japan erbitterten Streit pflegen, sind
die ersten Nothelfer. Der Wunsch mag naiv sein, aber es wäre ein Sieg
der Humanität, wenn nicht erst Naturkatastrophen, verfeindete Länder
zusammenführen würden.

Pressekontakt:
Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Redaktion

Telefon: 0201/8042607