NRZ: Richtungswechsel gen Westen – Kommentar von Lothar Petzold

Die Städte und Gemeinden in NRW stehen mit dem
Rücken zur Wand. Gebeutelt vom immer noch nicht überwundenen
Strukturwandel, von hohen Arbeitslosenzahlen und einer immer älter
werdenden Bevölkerung. Nur acht von 400 Kommunen haben einen
ausgeglichenen Haushalt. Alle anderen stecken in den roten Zahlen,
ohne Aussicht auf eine schnelle, nachhaltige Änderung. Die Städte und
Gemeinden können wegen der klammen Finanzen nicht einmal ihren
originären Verpflichtungen voll und ganz nachkommen. Die Straßen
haben sich teilweise zu Buckelpisten verwandelt, Schwimmbäder werden
geschlossen, Jugendtreffs und Büchereien bangen um ihre Existenz. Die
Lasten des Solidaritätspaktes drücken. Die verschuldeten NRW-Kommunen
müssen weitere Schulden machen, um den Soli für den Osten aufbringen
zu können. Die Stadt Essen beispielsweise ist mit 2,1 Milliarden Euro
verschuldet, ein Drittel davon wurde durch den Solidarpakt
verursacht; Duisburg musste für den Solidarpakt Kredite in Höhe von
einer halben Milliarde aufnehmen, Oberhausen für rund 270 Millionen
Euro. Im Städteranking des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln,
das Großstädte nach ihrem wirtschaftlichen Wohlstand und der
wirtschaftlichen Dynamik bewertet, belegen Herne und Gelsenkirchen
die Plätze 49 und 50. Auch andere Platzierungswechsel machen
deutlich, dass die rote Laterne im Ruhrgebiet steht. Dortmund und
Oberhausen gehören zu den zehn am schlechtesten platzierten
Standorten. Magdeburg und Chemnitz konnten sich dagegen von den
Schlusslichtern verabschieden. Auch Bundespräsident Joachim Gauck hat
sich für eine Neuausrichtung der Ost-Hilfen ausgesprochen und
erklärt, die Solidarität dürfe nicht nur richtungsmäßig und
geografisch verortet werden. Der Streit zwischen Land und den Städten
in NRW um die Belastung durch den Soli ist zwar vom Standpunkt der
Beteiligten zu verstehen – ist aber zu kurz gegriffen. Auch das Land
steht finanziell schlecht da. Seit drei Jahren hängt NRW selbst am
Tropf des Länderfinanzausgleichs, muss sich von anderen Bundesländern
helfen lassen. Die Frage ist nicht, ob Land oder Kommunen zahlen
sollen. Richtig wäre es, Leistungen aus dem Solidaritätszuschlag
statt vollständig in den Osten, jetzt auch in den Westen zu leiten.

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