NRZ: Schwierige Situation für Beitz – ein Kommentar von LOTHAR PETZOLD

Er ist zweifelsohne einer der großen Deutschen. Er
war die Lichtgestalt in Zeiten des Wirtschaftswunders nach dem
Zweiten Weltkrieg. Er schaffte zu Zeiten des Kalten Krieges den
Brückenschlag nach Osten. Oft waren es die Politiker, die dem agilen
Manager folgten. Berthold Beitz schaffte es nicht nur, gute Geschäfte
für den Krupp-Konzern einzufahren. Er zeigte ein Bild von der neuen,
demokratischen Bundesrepublik und half damit, neue Freunde zu
gewinnen. Die Leistungen des Mannes, der während der Nazizeit
Hunderten Juden durch sein beherztes Eingreifen das Leben rettete,
sind wahrlich bemerkenswert. Es gibt nicht viele Männer, die so
engagiert und erfolgreich durchs Leben steuerten.

Er war und ist der Vollstrecker des Erbes Alfried Krupps. Als
Vorsitzender der einflussreichen Krupp-Stiftung schien er auch für
die kommende Zeit den Willen des letzten Krupp durch seinen
designierten Nachfolger Gerhard Cromme manifestiert zu haben. Doch
das desaströse Engagement der Stahlsparte von Thyssen-Krupp, die
Schmiergeldaffären und Kartellamtsvorwürfe, die den
Traditions-Konzern belasten, machten den Plan, die Stiftung durch
Cromme irgendwann einmal weiterführen zu lassen, zunichte. Cromme
musste gehen. Sicherlich nicht ohne Druck durch Beitz.

Mit 99 Jahren steht Beitz jetzt – wie schon häufiger in seinem
Leben – vor einer schwierigen Situation. Wie wird er die Stiftung,
die mit einer mehr als 25-prozentigen Beteiligung die Geschicke des
Thyssen-Krupp-Konzerns maßgeblich bestimmt, aufstellen? Hat er noch
die Kraft, den Einfluss der Krupp-Linie in einem sich wandelnden
Konzern in einer sich immer schneller ändernden Welt weiter
durchzusetzen?

Beitz muss sich auch die Frage stellen lassen, ob er nicht zu
lange gezögert hat, die Missstände um ihn herum anzuprangern. Mit
zunehmendem Alter wird es schwerer, sich von langjährigen
Weggefährten zu trennen. Die Zahl der Freunde und Vertrauten wird
geringer. Auch bei einer solchen Persönlichkeit, wie Berthold Beitz
sie ist. Gewiss kann man Beitz in einem Atemzug mit Konrad Adenauer
nennen, der ebenfalls Großes für dieses Land geleistet hat, aber
dennoch im Alter von 87 Jahren abtreten musste. In ein paar Monaten,
am 27. September, wird Berthold Beitz gesegnete 100 Jahre alt. Ein
gutes Datum. Auch um loszulassen.

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