Ursula von der Leyen ist schwer zu durchschauen,
gerade im Verhältnis, im Zusammenspiel mit Angela Merkel. Die Rede
ist natürlich von der Euro-Rettung. Ist die Sozialministerin der
Minensuchhund der Kanzlerin oder arbeitet sie auf eigene Rechnung,
wenn sie von den „Vereinigten Staaten von Europa“ schwärmt oder wenn
sie sich auf Euro-Bonds einlässt? Sie ist mit Leidenschaft Europäerin
und eine Generalistin, die sich weit über ihr Ressort hinaus Gehör
verschafft. Bei den Auftritten der Ersatzkanzlerin fällt auf, dass
sie in der Europapolitik mit Finanzminister Wolfgang Schäuble
harmoniert. Manchmal sieht es fast wie ein Rollenspiel aus, wenn sie
von den Vereinigten Staaten von Europa redet, Merkel alsbald
bestätigt, man müsse Macht abgeben, und Schäuble über eine
Volksabstimmung philosophiert. Bei den Euro-Bonds wundert man sich
aber dann doch, dass die Ministerin von einer Option redet. Zu den
Euro-Bonds sprach Merkel – selten genug – ein Machtwort. Noch
bedrohlicher gar als ihr Tabubruch ist Bundespräsident Joachim Gauck,
wenn er Klartext zur Euro-Rettung anmahnt. Gauck steht über den
Parteien, er ist als Person und in der Sache beliebter als von der
Leyen ist (alle sind für Klartext, nicht alle für Euro-Bonds) und er
landete einen Treffer. Ja, Merkel fehlt eine Erzählung über Europa.
Ein Mann wie Peer Steinbrück beklagt es seit langem. Nur: Merkel kann
mit ihrem Volk nicht im schalldichten Raum reden. Alles, was sie
sagt, hat in Europa Folgen. Wenn sie sagen würde, dass Euro-Bonds
eine Option seien, würden sie Begehrlichkeiten erhöhen. Wer in der
operativen Politik agiert, wer alleine auch nichts ausrichten kann,
sondern Verbündete braucht, muss taktischer und fintenreicher
vorgehen als eine Repräsentationsfigur. Sei es drum, Gauck, von der
Leyen, Schäubles Visionen, die Drohgebärden der CSU, die neuen
Kräfteverhältnisse auf EU-Gipfeln: So viel Widerspruch war nie.
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