Rheinische Post: Bewegung in der Türkei

Die EU-Kommission sieht trotz der brutalen
Niederschlagung der friedlichen türkischen Bürgerproteste im Frühjahr
genug Reformfortschritte, um den Stillstand in den Aufnahmegesprächen
mit Ankara zu beenden. Für die Gezi-Park-Protestler muss diese
Argumentation wirken wie ein Schlag ins Gesicht. Ministerpräsident
Recep Tayyip Erdogan hat Brüssel zwar mit der Ankündigung eines
Demokratiepakets besänftigt, aber die politische Realität in der
Türkei ist immer noch Lichtjahre von europäischen Maßstäben in Sachen
Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus entfernt. Es ist Zeit für eine
ehrliche Bestandsaufnahme. In Europa wünschen sich lediglich noch 20
Prozent der Menschen die Türkei als EU-Mitglied, und auch in der
Türkei wollen nur noch 44 Prozent in die Union. Deswegen deutete
Ankaras EU-Beitrittsminister unlängst an, sein Land könnte sich am
Ende doch mit einem Status wie etwa Norwegen zufriedengeben. Dass
sich die Haltung der Türkei nun offenbar ändert, ist eine
Riesenchance für die EU. Sie sollte sie mit Vorsicht und
Fingerspitzengefühl nutzen.

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621