Rheinische Post: Blockade-Frankreich

Kommentar Von Matthias Beermann

Es ist dieser Tage – Stuttgart 21 lässt grüßen
– viel die Rede vom blockierten Deutschland. Wie Blockade aber
wirklich geht, führen die Franzosen gerade vor. Aus Protest gegen
eine Rentenreform, die das gesetzliche Ruhestandsalter von bisher 60
auf künftig 62 Jahre heraufsetzt, gehen Hunderttausende auf die
Straße, werden Treibstoffdepots blockiert und öffentliche
Einrichtungen bestreikt. Der politische Radau auf der Straße hat im
zentralistischen Frankreich Tradition. Nur so lässt sich wohl
erklären, dass eine Mehrheit der Franzosen Sympathie für die Proteste
bekundet, obwohl ebenfalls eine Mehrheit von der Notwendigkeit der
Reform überzeugt ist. Aber – das ist die Parallele mit den
Bahnhofs-Demos im Schwäbischen – es geht den Galliern auch darum,
Dampf abzulassen gegen „die da oben“. Nun läuft die Angelegenheit
jedoch zunehmend aus dem Ruder. Die Regierung hat bereits
Zugeständnisse gemacht, Gewerkschaften und linke Opposition blieben
jedoch bei ihrer Maximalforderung nach einem Kippen der Reform. Das
war verantwortungslos. Längst ist ihnen der Protest entglitten, geben
Randalierer und Plünderer den Ton an. Jetzt zeigt die in Deutschland
gerne naiv beschworene „französische Protestkultur“ ihr hässliches
Gesicht.

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