Rheinische Post: Die Gefahren der neuen „Sonntagsfrage“

Fünfzigtausend Euro Strafe drohen jedem
Blogger, der am Sonntag vor dem Schließen der Wahllokale um 18 Uhr
Umfragen über das Wählervotum publik macht. Die Wähler sollen sich
nicht kirre machen lassen und ihre Entscheidung ohne taktische
Erwägungen treffen. Schließlich muss das Ergebnis nicht nur eine
Stunde sondern vier Jahre tragen. Weil sich aber immer mehr Wähler
immer später festlegen, haben Demoskopen und Medien nachgezogen: Je
näher an der Wahlentscheidung, desto weniger müssen „Rohdaten“ mit
Erfahrungswerten gewichtet werden, desto präziser lässt sich die
aktuelle Stimmung im Volk spiegeln. Warum sollen das die Wähler nicht
erfahren? Doch der Boden der Hypothese („Was würden sie wählen, wenn
am nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären?“) wird verlassen. Und das
birgt auch Gefahren. Was am Sonntag früh veröffentlicht wird, beruht
auf Befragungen bis Freitagmittag. Das kann am Wahltag schon wieder
überholt sein und suggeriert dann einen falschen Wasserstand für
mögliche Machtperspektiven. Zudem muss einer Verwechslungsgefahr von
Umfragen vor der Stimmabgabe mit Prognosen danach dringend
gegengesteuert werden.

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