Rheinische Post: Die Opfer der Verharmlosung

Ein Kommentar von Martin Bewerunge:

Wieder einmal bedurfte es erst besonders brutaler Beweise, bis
sich etwas tut. Zehn feige Morde gehen wohl auf das Konto einer
einzigen Neonazi-Zelle, zehn Tote in sieben Jahren. Aber davor waren
dem Bundestag immerhin nicht weniger als 47 Opfer rechtsextremer
Gewalt bekannt, die in zwei Jahrzehnten seit der Wiedervereinigung
ihr Leben verloren. Eine solche Zahl ist keine Bagatelle, auch wenn
die kritische Recherche von Journalisten aufgedeckt hat, dass es
vermutlich noch mindestens 100 mehr waren. Wenn jetzt also ein
Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus eingerichtet wird, dann handelt
es sich nicht um jenen politischen Aktionismus, der so oft auf
schockierende Vorgänge folgt, sondern um einen längst fälligen
Schritt. Die Erfolge im Kampf gegen den linksextremen und den
fundamentalistischen Terror zeigen doch: Der Rechtsstaat ist nicht
machtlos. Er muss nur gezielt hinschauen. Über Jahre jedoch ist dies
bei der Beobachtung der rechtsextremen Szene nicht geschehen; einer
Szene, die zwar unübersehbar vor den Augen der Verfassungsschützer
waberte, die seltsamerweise jedoch nie als Nährboden für gezielten
Terror wahrgenommen wurde. Die Zeiten, in denen ausgerechnet in
diesem Land nach der Devise verfahren wurde: „Nicht sein kann, was
nicht sein darf“, sind vorbei.

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