Rheinische Post: Eile für Ägypten

Kommentar Von Matthias Beermann

Noch ist die Euphorie der Ägypter über ihren
großen Sieg nicht ganz abgeebbt, und man gönnt ihnen den Jubel. Doch
schon mischt sich erste Sorge in die Freude über das Ende von 30
Jahren Mubarak-Diktatur. Das Militär hat jetzt zwar einen Termin für
Wahlen in Aussicht gestellt, doch eine mit Zivilisten besetzte
Übergangsregierung soll es wohl nicht geben. Skepsis ist also
angesagt. Schließlich sind die neuen Strippenzieher der Macht nichts
anderes als Wendehälse, die noch vor kurzem ihrem Präsidenten ewige
Treue geschworen haben. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine solche
Truppe plötzlich entdeckt, wie schön es sich auch mit militärischen
Kommuniqués und herrischen Dekreten regieren lässt. Deswegen dürfen
die Ägypter – und auch der Westen – nicht locker lassen: Auf dem Weg
zur Demokratie ist jetzt höchste Eile geboten. Ein Blick ins
benachbarte Tunesien, wo alles begann, zeigt warum. Nach Jahrzehnten
der Unterdrückung haben viele Menschen einfach keine Geduld mehr, auf
ein besseres Leben zu warten. Die Abstimmung mit den Füßen hat
begonnen – Richtung Europa. Nur wenn sich in Nordafrika schnell etwas
zum Besseren wendet, politisch wie ökonomisch, lässt sich ein
massiver Exodus aufhalten.

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