Rheinische Post: Euro-Durststrecke

Ein Kommentar von Birgit Marschall:

Zwei Monate Zeit nimmt sich das Bundesverfassungsgericht für die
sorgfältige Prüfung der Eilanträge gegen den Euro-Rettungsschirm ESM.
Das ist ungewöhnlich lang. Doch entscheiden die Richter hier nicht
nur darüber, ob die Eilanträge so sehr berechtigt sind, dass der
Bundespräsident seine Unterschrift unter den ESM-Vertrag vorerst
nicht setzen darf. Sie entscheiden eigentlich über die Sache an sich:
Denn unterschriebe Gauck, hätte Deutschland den Vertrag ratifiziert.
Es wäre damit völkerrechtlich für alle Zeit daran gebunden; ein
späteres Nein der Verfassungsrichter wäre unwirksam. Der
Bundesregierung und ihren Unterstützern bleibt nichts anderes übrig,
als höflich und respektvoll die Entscheidung der Richter abzuwarten.
Sollte sie am Ende wie erwartet zugunsten des ESM ausfallen, birgt
die lange Prüfungszeit für die Regierung immerhin die Chance, so zu
argumentieren: Wenn der ESM nach so gründlicher Prüfung auch den
Segen des ehrwürdigen Verfassungsgerichts bekommt, kann er nur im
Interesse Deutschlands liegen. Auch die Anleger an den Finanzmärkten
werden die Durststrecke aushalten müssen. Die wiederholte Warnung vor
der Nervosität der Märkte hat sich mitunter schon früher als
Panikmache erwiesen.

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