Vor 20 Jahren belagerte ein entfesselter Mob in
Rostock-Lichtenhagen ein Asylbewerberheim, wollte nicht nur das Haus
brennen sehen, sondern auch die Menschen darin. Tagelang konnten die
Angreifer ihrem Hass freien Lauf lassen, kaum behindert von einer
passiven Polizei und angefeuert von zahlreichen Gaffern. Joachim
Gauck ist zum Jahrestag an diesen Ort der Schande zurückgekehrt, um
ein Zeichen zu setzen. Der Bundespräsident hat eine sehr gute Rede
gehalten. Er hat sich ohne Wenn und Aber zum Versagen von Bürgern und
Behörden bekannt und Zivilcourage sowie einen wehrhaften Staat
gefordert, der die Würde und das Leben der Menschen schützt. Wie
gesagt, eine exzellente Rede. Doch die Lektion von Lichtenhagen geht
noch tiefer als es Gaucks Kampfansage gegen Rechtsextreme auf den
ersten Blick erkennen lässt. Der wahre Skandal von Lichtenhagen waren
nicht die Randalierer, es waren jene, die wegschauten. Denen es egal
war. Eine Gleichgültigkeit, die zunehmend auch unserer Gemeinwesen
zersetzt. Die Kluft zwischen Regierenden und Regierten wächst, den
Bürgern scheint ihr Einfluss auf die Politik nur noch minimal. Gauck
predigt einen wehrhaften Staat. Wir brauchen mehr: Wir brauchen eine
wehrhafte Demokratie.
Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion
Telefon: (0211) 505-2621