Anderen Menschen bei ihrer Trauer zuzusehen,
hat oft etwas Obszönes. Gestern Nachmittag war das anders: Wir
erlebten den trauernden Staat. Über Stunden zeigte uns n-tv, wie die
Niederlande die Leichen der Passagiere von Flug MH 17 empfingen, den
eine Rakete über der Ukraine abgeschossen hatte. Viele Zuschauer
hielt die fast sakrale Würde des Akts davon ab, durchs Programm zu
zappen. Man sieht ja nicht täglich, wie zahllose schwarze
Leichenwagen ihr Heck öffnen und Särge aufnehmen. Statistiker werden
uns gewiss vorrechnen, wie groß die Kundschaft des Sendeformats war,
für das im Fernsehen keinerlei Vergleichsangebot existiert. Zwar
erinnerte die Landung des Flugzeugs an die Heimkehr von
Raumfahrt-Shuttles, aber es fehlte jedes Pathos. Vielmehr schien es,
als ob das Schweigen Gebete für den Himmel über Eindhoven gebar –
andächtige, zornige, sprachlose. Die Toten kommen aus ganz Europa,
und die Holländer haben die Pflicht des Protokolls formvollendet
erfüllt. Sie haben gezeigt, dass Trauer keinen vergisst: für jeden
Toten ein Wagen, ein eigener Akt, eine eigene Zeit.
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