Rheinische Post: Kommentar / Die EU darf nicht auf die Briten warten = Von Anja Ingenrieth

Europas neuer Exekutiv-Chef Jean-Claude Juncker
ist stärker als alle Kommissionspräsidenten vor ihm – jedenfalls,
wenn man die Lage rein formal betrachtet. Der christdemokratische
Luxemburger gewann als europaweiter Spitzenkandidat die Wahl, wurde
nun von den Staats- und Regierungschefs nominiert und dürfte Mitte
Juli vom EU-Parlament mit breiter Mehrheit gewählt werden. Mehr
demokratische Legitimation geht kaum – auch wenn der Weg bis dahin
holprig war. Juncker muss diese Machtbasis nun entschlossen nutzen,
um Europa zukunftsfähig zu machen. Aber welches Europa? Der britische
Premier David Cameron will das Ziel der „immer tieferen Union“ nicht
mehr akzeptieren. Damit ist klar: Europa wird in den nächsten fünf
Jahren nur stark sein können, wenn es in mehreren Geschwindigkeiten
vorangeht. Der Kern der Euro-Staaten wird sich in Richtung einer
politischen Union entwickeln, um die Einheitswährung dauerhaft zu
stabilisieren. London wird versuchen, seine Mitgliedschaft auf
„light“ zu setzen oder gar ganz auszutreten. Letzteres wäre schlecht
für die EU wie für die Briten. Junckers große Aufgabe ist es daher,
diesen Schritt zu verhindern – aber ohne die nötigen
Integrationsschritte zu unterlassen.

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