Rheinische Post: Merkels Grenzen

So mächtig die Kanzlerin in Europa sein mag, so
machtvoll hat der deutsche Föderalismus der Kanzlerin gestern ihre
Grenzen aufgezeigt. Zwei Tage vor der Landtagswahl in
Nordrhein-Westfalen haben SPD-Länder, aber auch CDU-geführte Länder
zentrale Gesetze der Regierungskoalition in der Länderkammer gekippt.
Dass die SPD die überfälligen – und angesichts der Steuerschätzung
auch bezahlbaren – Korrekturen im Steuerrecht blockiert, war
erwartbare Wahlkampftaktik. Aber dass gleich vier CDU-regierte Länder
aus Ostdeutschland ihrer Kanzlerin die Gefolgschaft bei einem
wichtigen Punkt der Energiewende, der Kürzung der Solarförderung,
verweigern, lässt aufhorchen. Dahinter steckt nicht nur die Sorge um
die Solarindustrie. Das Abstimmungsverhalten belegt das
Selbstbewusstsein der Länder. Der Bundesrat fühlt sich angesichts der
Europäisierung an den Rand gedrängt. Dass Finanzminister Schäuble den
Ländern nun auch noch vorschreiben will, wie sie den Fiskalpakt
umzusetzen haben, hat dieses Gefühl verstärkt. Will die Kanzlerin bis
zur Bundestagswahl 2013 noch inhaltliche Projekte durchsetzen,
benötigt sie Verhandlungsgeschick. Merkels Macht entscheidet sich in
Magdeburg und Kiel, nicht in Paris und Athen.

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