Rheinische Post: Politisches Rating Von BIRGIT MARSCHALL

Es war schon ein merkwürdiger Zeitpunkt, den
sich die US-Ratingagentur Standard & Poor´s für ihren Paukenschlag
ausgewählt hatte: Nur wenige Stunden, nachdem Kanzlerin Angela Merkel
und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy weitreichende Beschlüsse
zur Euro-Rettung angekündigt hatten, drohten die Amerikaner mit der
Herabstufung der Kreditwürdigkeit Deutschlands. Eine solche Aktion zu
dieser Zeit, in der die Euro-Rettung in ihre entscheidende Phase
geht, ist ein hochpolitischer Vorgang. Sie lässt sich mit den
üblichen, standardisierten Pflichten einer Ratingagentur nicht
erklären – zumal S & P nachlegte und auch den Euro-Rettungsfonds aufs
Korn nahm. Man muss schon wohlmeinend sein, den Amerikanern nur guten
Willen zu unterstellen: Mehr Druck von außen brauchen die Europäer
nicht. Sie wissen, dass sie in dieser Woche jene Antwort auf die
Schuldenkrise finden müssen, die die Welt endlich überzeugt. Die
enormen Schuldenprobleme der USA, Japans und Großbritanniens
erscheinen, verglichen mit denen der Euro-Zone insgesamt, sehr viel
größer. Doch über diese Weltregionen urteilt S & P nicht auffallend
härter. Europa sollte Macht und Einfluss der US-Agenturen noch mehr
beschneiden als geplant.

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