In den nächsten Tagen entscheidet sich die
Karriere einer außergewöhnlichen Politikerin. Seriös, unaufgeregt und
mit einer sympathischen Abscheu vor Inszenierungen hat sich Annette
Schavan vom Vorsitz der Jungen Union in Neuss bis zur
Bundesministerin und Kanzlerin-Vertrauten hochgearbeitet. Als redlich
wird die überzeugte Katholikin beschrieben. Dass ausgerechnet sie in
einer Doktorarbeit über das „Gewissen“ vorsätzlich getäuscht haben
soll, ist schwer vorstellbar. Der Leiter des Promotionsausschusses
der Universität stellt nun ungewöhnlich deutlich diese
Täuschungsabsicht fest. Die Ausschussmitglieder werden dies kaum
ignorieren. Und doch finden sich in mehr als 800 Fußnoten der
Dissertation nur wenige Stellen, an denen Schavan eine Originalquelle
zitiert, ohne diese überhaupt zu nennen. Die meisten Vorwürfe
beziehen sich auf Schlampereien und Ungenauigkeiten. Der Düsseldorfer
Gutachter war zum Zeitpunkt der Dissertation 22 Jahre alt. Was weiß
er über die damalige Arbeitsweise? Können heutige Maßstäbe eins zu
eins angelegt werden? Zweifel sind angebracht, Sorgfalt ist geboten.
Die Aberkennung des Doktortitels wäre Schavans Aus als Ministerin und
als Honorarprofessorin. Ein solches Urteil sollte gut begründet sein.
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