von Martin Kessler
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine
Lagarde, und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble galten einst als
unzertrennliches Team. Es einte sie der unbedingte Wille, den Euro zu
retten. Bei der jüngsten Jahrestagung des IWF in Tokio hat das
Vertrauensverhältnis der beiden einen ernsten Kratzer erhalten.
Lagarde plädiert dafür, Griechenland mehr Zeit zur Anpassung zu
geben, Schäuble ist strikt dagegen. Gleichwohl geht der deutsche
Finanzminister davon aus, dass Griechenland im Währungsverbund
bleibt. Der schroffe Gegensatz rührt daher, dass Lagarde eine
internationale Organisation vertritt, die in Verhandlungen immer
wieder Flexibilität gezeigt hat, ohne an Glaubwürdigkeit zu
verlieren. Schäuble hingegen muss auf die Stimmung in der deutschen
Bevölkerung Rücksicht nehmen, die keinen weiteren Cent mehr an Athen
überweisen will. Beide wissen, dass es Griechenland ohne zusätzliche
Hilfe nicht schaffen wird, die Insolvenz und den Austritt zu
vermeiden. Schäuble streut der Öffentlichkeit also Sand in die Augen,
wenn er strikt gegen jeden Zeitaufschub ist und gleichzeitig so tut,
als ob Griechenland im Euro bleiben könnte. Er sollte das Publikum
nicht für dumm verkaufen.
Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion
Telefon: (0211) 505-2621