Rheinische Post: Stuttgart 21 und Volkes Stimme

Ein Kommentar von Reinhold Michels:

Was ist die gedankliche Verbindung zwischen Karl-Theodor zu
Guttenberg (CSU) und Claudia Roth (Grüne)? Beiden brauchen mehr
Demut: der eine beim Versuch zum Wiedereintritt in die
innenpolitische Erdatmosphäre; die andere beim euphorischen Lob auf
das „Fest der Demokratie“ zu Stuttgart 21. Die Bürgerabstimmung zum
Infrastrukturprojekt war keine höhere Form von Volksherrschaft, wie
Roth suggeriert. Das Plebiszit lässt sich deuten als Ausdruck
kollektiver Klugheit. Ein Nein hätte zweierlei bedeutet: keine
Modernisierung von Bahn und Schiene im Südwesten und immense
Schadenersatzforderungen gegen ein zum Vertragsbruch gezwungenes
Land. Volksabstimmungen sollten rare Ausnahmen von der Regel sein:
Letztere heißt Parlamentarische Demokratie. Die nicht unbedacht
„Hohes Haus“ genannten Volksvertretungen sind die Festsäle der
Demokratie. Die gewählten Insassen müssten sich dessen stärker
bewusst sein. So ist denn die Volksabstimmung hoffentlich ein Mittel
zur Befriedung eines Großkonflikts um einen neuen Bahnhof, eine neue
Bahn-Schnellstrecke, ein neues Stuttgarter Wohn- und Einkaufsviertel.
Es wird außerhalb des propperen Baden-Württemberg viele Regionen
geben, die allzu gerne die „Sorgen“ der wackeren Schwaben hätten.

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