Die Panzer vor dem Präsidentenpalast in Kairo
markieren nicht das Ende des Arabischen Frühlings in Ägypten. Das
Land am Nil, das viele Deutsche schon besucht haben, um die Pyramiden
zu sehen oder einfach die Sonne zu genießen, ringt um einen Weg in
die Zukunft. Muslime, Christen und säkulare Ägypter wollen eine
freie, eine demokratische Gesellschaft. Präsident Mohammed Mursi, der
in den USA studiert hat, möchte dagegen ein konservativ-religiöses
Land. Als wichtiger Partner der Ägypter im Tourismus, beim Militär
und im Kulturaustausch hat die Bundesrepublik Deutschland durchaus
Möglichkeiten, dem Plan des Präsidenten entgegenzusteuern. Präsident
Mursi muss an seine eigene Geschichte erinnert werden. Als vor knapp
zwei Jahren die Muslime, Christen und Säkularen gegen den Diktator
Hosni Mubarak auf die Straßen gingen, hielten sich Islamisten wie
Mursi zunächst zurück. Sie warteten erst einmal ab, wie der Kampf
zwischen den Demonstranten und den Schlägertrupps von Mubarak
ausgehen würde. Die ersten freien Wahlen haben dann Mursi und die
Seinen sehr knapp gewonnen. Seitdem hält sich der Präsident an alle
internationalen Verträge, auch jene mit Israel, er hat das Militär
hinter sich gebracht und einen Waffenstillstand im Gazastreifen
vermittelt. So weit, so gut. Nun aber versucht Mursi im
Hauruckverfahren die Verfassung in seinem islamistischen Sinne zu
ändern. Jene, die gegen ihn protestieren, sind wieder Muslime,
Säkulare und Christen, die ihren Platz in der Gesellschaft behalten
wollen. Dass diese ägyptische Gesellschaft aber vielfältiger ist als
Mursi meint, zeigte sich am Donnerstag: Da ermahnten die
angesehensten islamischen Geistlichen des Landes ihren Staatschef
dazu, den Dialog mit seinen Gegnern zu suchen. Das wäre noch unter
dem Diktator Mubarak undenkbar gewesen. Vorerst geht also der
Arabische Frühling in Ägypten weiter, mit ungewissem Ausgang zwar,
aber nicht ohne Hoffnung auf eine neue demokratische Gesellschaft.
Die kritische Sympathie des Westens ist dabei wichtiger denn je.
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