Schwäbische Zeitung: Auf Kriegsfuß mit dem Bürgersinn – Leitartikel

Nach der Startbahn-Entscheidung der Münchner
Bürger geht die Politik nicht in sich, sondern gefällt sich in
Tricksereien und Schuldzuweisungen. Statt zu begreifen, dass der
sonst wortreich beschworene Souverän andere Sorgen hat als sündteure
Großprojekte von fragwürdigem Nutzen.

Wetten, dass kein Unternehmen den Standort München aus den
Planungen streicht, wenn es am Flughafen nur zwei Startbahnen gibt?
Wetten, dass die Normalverbraucher eher glücklich sind, wenn sie
nicht noch ein paar tausend Billiglohn-Arbeiter mehr mit ihren
Steuern durchfüttern müssen?

Es sind einfache, naheliegende Fragen, die eine Mehrheit davon
überzeugte, dass München auch mit dem Flughafen gut leben kann, wenn
er bleibt, wie er jetzt ist: Gut ausgelastet und ohne den Zwang, mit
Dumping-Landegebühren um weitere Kundschaft zu kämpfen. Offenbar will
kaum jemand Wachstum um jeden Preis – schon gar nicht im Tausch gegen
den Verlust von Heimat und gewachsenen Strukturen.

Tragisch ist vor allem, dass alle großen Parteien solchen
Bürgersinn aus dem Blick verloren haben und allenfalls als lästigen
Eigensinn empfinden. Die CSU hat mit solchem Hochmut bereits die
Mehrheitsfähigkeit im einst konservativen Flughafen-Umland verspielt.
Sie ist dabei, mit ihrer Airport-Verliebtheit noch viele weitere
Anhänger zu verprellen.

Dass der Münchner Oberbürgermeister genauso instinktlos handelte,
macht die Sache nicht besser. Christian Ude scheint zumindest zu
begreifen, dass er das Votum der Münchner nicht missachten darf, wenn
er bei den Landtagswahlen als SPD-Spitzenkandidat noch einigermaßen
tragbar bleiben will.

Soviel Einsichtsfähigkeit muss CSU-Vormann Horst Seehofer erst
noch beweisen. Sonst könnte seine Idee, die Landtagswahl als
Startbahn-Abstimmung auszurufen, zum Fiasko werden – auch für die
FDP, die selbst aus schallenden Ohrfeigen nichts zu lernen scheint.

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