Ob ein Staat, dessen Präsident im Jahr 2013 ein
Anti-Homosexuellen-Gesetz unterzeichnet, als Ausrichter Olympischer
Spiele geeignet ist, darf bezweifelt werden. Nächsten Winter jedoch
wird sich die Jugend der Welt, zu der bekanntlich auch Schwule und
Lesben zählen, im russischen Sotschi treffen und um Gold, Silber und
Bronze kämpfen. Vielleicht sollte das Internationale Olympische
Komitee (IOC) den Ausrichtern und dem mächtigen russischen
Präsidenten Wladimir Putin zuvor jedoch noch einmal die Olympische
Charta zur Lektüre zukommen lassen. Schon in der Präambel nämlich
heißt es: „Jede Form von Diskriminierung eines Landes oder einer
Person aufgrund von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus
sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur Olympischen Bewegung
unvereinbar.“ Sollten die Russen tatsächlich die Rechte homosexueller
Sportler beschränken wollen, wäre es nur logisch, ihnen die Spiele zu
nehmen und diese an einen anderen Ort zu verlegen.
Die Debatte über einen Boykott, dies hatten zuletzt weltweit
Politiker in Erwägung gezogen, ist jedoch verfehlt. Damit wäre
niemandem geholfen. Alle Sportler aus boykottierenden Ländern, auch
die schwulen und lesbischen, würden um ihren Lebenstraum gebracht.
Auch den Homosexuellen in Russland würde dies wahrscheinlich nichts
nutzen. Putin würde das Gesetz, das bei der Mehrheit der russischen
Bevölkerung auf Zustimmung stößt, deswegen gewiss nicht zurückziehen.
Wahrscheinlich werden die Winterspiele somit wie geplant in
Russland stattfinden. Und dann sollten alle Sportler nach Sotschi
fahren – und sich mit ihren homosexuellen Teamkollegen
solidarisieren: im Internet, in Interviews, mit Gesten nach den
Wettkämpfen, mit Transparenten auf Ehrenrunden, mit Buttons, mit
Slogans auf T-Shirts bei Siegerehrungen. Dies alles würde Putin mehr
schaden als ein Boykott. Der würde ihm sogar in die Hände spielen, um
seine autokratische Herrschaft zu festigen. Seine populistischen
Tiraden gegen den „selbstherrlichen Westen“ wären absehbar.
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