Schwäbische Zeitung: Faule Tricks, gutes Ergebnis – Leitartikel

Das war nun wirklich keine Sternstunde des
Deutschen Parlamentarismus. Vor dem Plenarsaal stehen zu bleiben,
wenn drinnen ein eigener Antrag beraten wird, um so eine
Beschlussunfähigkeit des Bundestages herzustellen, ist schon mieser
Stil. Das ist Trick-Parlamentarismus, der nicht einreißen darf, denn
er ist einer geordneten Aussprache und Debatte nicht würdig.

Doch bei aller – berechtigten – Wut auf die Opposition muss
Schwarz-Gelb sich auch der eigenen Fehler bewusst sein. Erstens
leitete die Union vor zehn Jahren mit der Kündigung des Pairings,
wonach bei Krankheit eines Abgeordneten auch die Gegenseite auf eine
Stimme verzichtet, selbst den Verfall der parlamentarischen Sitten
ein. Zweitens ist das Verfahren, wie die Koalition das Betreuungsgeld
im Eiltempo durch den Bundestag peitschen wollte, auch kein guter
Stil. Schließlich weiß die Koalition sehr wohl, dass das
Gesetzesvorhaben weder im Parlament noch in der Bevölkerung eine
Mehrheit hinter sich hat. Deshalb ist das Ergebnis der ganzen
Trickserei gut: Jetzt kann noch einmal in Ruhe nachgedacht werden.

Eine ausführliche Diskussion aber wollten Union und FDP
verhindern, denn sie müssen fürchten, dass dann wenig übrig bleiben
wird vom Vorhaben Betreuungsgeld. In jeder neuen Anhörung wird sich
zeigen, dass es zwar wenige gute Gründe für das Betreuungsgeld gibt,
aber sehr viele berechtigte Einwände dagegen. Die CSU steht als
einzige geschlossen hinter dem Vorhaben, während es in der CDU und
erst recht in der FDP-Fraktion viele Abgeordnete und sogar Minister
gibt, die das ganze für Unsinn halten. Es wäre am besten, die CSU
würde sich auf ihr Landesbetreuungsgeld einrichten und auf das
Einhalten des Koalitionsvertrages in Sachen Betreuungsgeld
verzichten. Schließlich stand das Ganze ohnehin unter
Finanzierungsvorbehalt. Es gibt beim Betreuungsgeld keinen eleganten
Ausweg. Auch durch weiteres Herumfummeln wird das Gesetz am Ende
nicht besser werden.

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