Schwäbische Zeitung: Gerecht geht anders – Leitartikel

Wenn Ruhrgebiets-Bürgermeister dem Osten die
Solidarität aufkündigen, ist das unter einem einzigen Wort abzuhaken:
Wahlkampf. Der Solidarpakt ist von Bund und Ländern ausgehandelt
worden, er läuft bis 2019 und kann aus rechtlichen Gründen überhaupt
nicht gekündigt werden. Punkt. Danach wird er ohnehin nicht
verlängert.

Viel wichtiger aber ist die Reform des Länderfinanzausgleichs, der
bis zu diesem Datum unbedingt mit auf den Prüfstand muss. Denn es
kann nicht so weitergehen, dass es für reiche Länder wie Bayern und
Baden-Württemberg keinen Anreiz gibt, zusätzliche Steuereinnahmen zu
bekommen, weil sie die ohnehin an den Länderfinanzausgleich abführen
müssen. Und dass es für ärmere Länder keinen Anreiz gibt, mehr
einzunehmen, weil sie dann weniger aus dem Ausgleichstopf bekommen.
Es darf auch nicht sein, dass das hochsubventionierte Berlin die
Kindergartengebühren abschafft und Baden-Württemberg sich das nicht
leisten will.

Das System ist marode. Wer sich erinnert, wie lang jegliche noch
so minimale Veränderung des Föderalismus und seiner
Ausgleichsstrukturen dauert, der weiß, dass jetzt gehandelt werden
muss. Damit im nächsten Jahrzehnt gerechtere Verhältnisse herrschen.

Die Zeit dafür wäre gut. Denn wenn es bisher einen schwarzen Süden
gab, der gegen die armen roten Länder im Norden antrat, so sind jetzt
durch die neue Regierung in Stuttgart die Karten neu gemischt.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann weiß dies und will deshalb für
neue Strukturen werben. Er will das Gezerre zwischen den Ländern
abschaffen und Ausgleichszahlungen über den Bund leisten. Das alles
muss ganz schnell diskutiert werden. Denn noch ist Zeit bis 2019, und
nicht jedes Land sieht unmittelbar seinen nächsten Haushalt
gefährdet. Überlegungen, ob für kleine Länder wie das Saarland oder
das arme Schleswig-Holstein nicht Länderfusionen sinnvoll sind,
sollten dabei auch eine Rolle spielen.

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