Schwäbische Zeitung: Kommentar: Kopflos

Sind viele Leichen bei einem „Tatort“ ethisch
verwerflich? Wohl kaum, schließlich handelt es sich um eine
Krimireihe, in der es naturgemäß um Mord geht. Und ab wie viel Toten
bitteschön soll es unmoralisch werden? Ab zwei, drei oder erst im
zweistelligen Bereich? Die Leichenschwemme in der Traditionsreihe
wirft allerdings ein qualitatives Problem auf.

Die „Tatort“-Episoden bieten mit ihren zahlreichen Ermittlern aus
dem ganzen Bundesgebiet eine große Spannbreite an Ansätzen, mal
kommen sie witzig, mal ernst daher, mal sind die Folgen
tiefgründiger, mal oberflächlicher. Das ist in Ordnung so. Allzu oft
fühlt sich der Zuschauer allerdings – rein thematisch gesehen – an
Hollywood-Thriller samt all ihren Grausamkeiten erinnert.

Da geht es um Serienmörder, Satanismus, Hinrichtungen und Ballerei
im Milieu sowie Gewaltexzesse im angeblich deutschen Alltag. Dass
unter dieser Prämisse die Zahl der Toten steigt, ist unvermeidlich.
Nur: Während uns die Hollywood-Thriller das Blut gefrieren lassen,
bleibt bei diesen „Tatort“-Ausgaben nur Kopfschütteln. Denn sie sind
zumeist voll von abgekupferten Szenen aus ihren amerikanischen (und
inzwischen auch skandinavischen) Vorbildern, vermeintlich
spannungsgeladene Musik schmerzt in den Ohren, fehlt nur, dass
allerorts Kunstnebel durchs Bild wabbert, alles schon da gewesen.
Diese „Tatorte“ sind kopflos inszeniert, sie sind billiger Abklatsch,
viel zu weit weg von der deutschen Realität und schaffen es
gleichzeitig nicht, eine fesselnde Illusion aufzubauen.

Das Erste kündigt nun für den Oktober einen „Tatort“ an als
Mischung aus Quentin Tarantino („Django Unchained“), Italo-Western
(„Spiel mir das Lied vom Tod“) und Shakespeare („Romeo und Julia“).
Was eher nach Komödie oder Groteske klingt, produziert am Ende 47
Leichen. Wem schon im Vorfeld das Lachen vergeht, sollte sich nicht
die Kopie ansehen, sondern auf das jeweilige Original zurückgreifen.

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