Schwäbische Zeitung: Leitartikel – Konsequent im Ausstieg

Winfried Kretschmann, der grüne
Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ist nicht zuletzt deshalb an
die Macht gelangt, weil die Atomkatastrophe von Fukushima und der
danach hektisch vollzogene Schwenk der Bundesregierung in der
Atompolitik dem überzeugten Kernenergiegegner Stimmengewinne
bescherten. Die Grünen mussten sich nun einmal nicht verbiegen. Jetzt
kann er einen weiteren Pluspunkt verbuchen. Vor allem Kretschmann hat
Bewegung in die neue Suche nach einem Endlagerstandort gebracht, auch
wenn das bislang dafür favorisierte Zwischenlager Gorleben weiterhin
erkundet wird.

Viel zu lange kamen Befürworter und Gegner der Kernenergie mit dem
Status quo im niedersächsischen Salzstock ganz gut klar. Wer einer
Region in Aussicht stellt, den Atommüll der Republik einbunkern zu
müssen, gewinnt dort keine Stimmen. Im Stich gelassen wurden durch
dieses Zaudern nicht nur die Menschen im Wendland. Die Politik
verweigerte auch Antworten auf eine Frage, die alle politischen Lager
hätten früher beantworten müssen. Wohin mit dem Müll? Und das sicher,
und auch zu vertretbaren Kosten.

Niedersachsen wurde so zum Schauplatz vieler Schlachten, wenn
Castortransporte anrollten. Länder wie Baden-Württemberg und Bayern,
in denen tatsächlich Atommeiler stehen und standen, blockten dagegen
die Suche nach einem Endlager auf ihrem Terrain ab – es fänden sich
keine geeigneten geologischen Schichten. Aber ein striktes Nein zur
Suche ist in Zeiten der Atomwende politisch nicht mehr haltbar.

Allerdings müssen die Kriterien für die Suche schnell geklärt
werden. Unabdingbar ist ein trotz der komplizierten Materie straffer
Zeitplan. Die Entsorgung des Atommülls taugt nicht mehr zum
Parteiengezänk. Wer dann den Zuschlag für das unbeliebte
Atommüll-Lager erhält, muss die Folgen auch akzeptieren. Das mag
bitter sein. Aber Zwischenlösungen helfen nicht aus dem Dilemma. Gute
Politik misst sich daran, ob und wie sie ihre Aufgaben meistert.

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